Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hatte im Jahr 2018 eine internationale Studie in Auftrag gegeben, die aus dem Ausgleichfonds der Arbeitgeber nach § 161 SGB IX finanziert wurde. Die Studie ist Bestandteil des Nationalen Aktionsplanes der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und wurde von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) in Berlin in der Zeit vom 01. März 2018 bis 31. Oktober 2019 (20 Monate) durchgeführt. Dort ist das Sachgebiet Barrierefreiheit aller UV-Träger angesiedelt.
Im Folgenden werden die Empfehlungen für Deutschland zusammengefasst, die in dem seit Ende 2019 vorliegenden Abschlussbericht stehen, wo auch die besten 12 gefundenen Beispiele erklärt und bewertet sind. Denn das Ziel der Studie war es nicht, ausländische Unternehmen und Systeme miteinander zu vergleichen, sondern gute Beispiele im Ausland zu identifizieren, die Barrieren in Unternehmen der Privatwirtschaft in Deutschland abbauen und dadurch den Zugang von Menschen mit Behinderung in den allgemeinen Arbeitsmarkt verbessern.
Vorsorgliche Barrierefreiheit
In die Barrierefreiheit der Unternehmen der Privatwirtschaft wird in Deutschland, so wie in vielen anderen Ländern, in der Regel erst dann investiert, wenn ein Mensch mit Schwerbehinderung beschäftigt bzw. weiterbeschäftigt werden soll - also anlassbezogen, weil in der Regel auch erst dann die finanzielle Unterstützung, etwa der Sozialversicherungsträger oder der Integrationsämter, einsetzt. Ziel sollte jedoch ein präventiver Ansatz sein, der Barrierefreiheit, genau wie seit Jahrzehnten in Deutschland die Arbeitssicherheit und der betriebliche Gesundheitsschutz, zur Selbstverständlichkeit im betrieblichen Alltag macht. Unter vorsorglicher bzw. genereller Barrierefreiheit wird die Implementierung des „Universal Designs“ gem. Art. 2 UN-BRK verstanden, indem die Planungen von Gebäuden, Dienstleistungen und Kommunikationsmitteln von Anfang an, also präventiv, die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung, egal welcher Art, berücksichtigen, so dass Barrieren im Sinne des Art. 9 UN-BRK (Zugänglichkeit) erst gar nicht entstehen.
Bewusstseinsbildung
Ein Erfolgsfaktor gilt es indes unabhängig von staatlicher Unterstützung der Privatwirtschaft zu beachten. Die Überzeugung und die Unterstützung des Top-Managements in den Betrieben sind unerlässlich. Sollte das Verständnis auf Management-Ebene für eine barrierefreie Arbeitsumgebung nicht vorhanden sein, ist es nicht möglich, die erforderlichen Mittel in Unternehmen zur Verfügung zu stellen.
Ganzheitliche Strukturen
Der systematische Abbau von Barrieren in Unternehmen lässt sich nicht mithilfe einzelner Initiativen, Kampagnen oder anlassbezogener Maßnahmen verbessern. Es bedarf vielmehr ganzheitlicher Strukturen und klarer Verantwortlichkeiten, um nachhaltige Ressourcen in Unternehmen zu mobilisieren. Themen der Barrierefreiheit und Inklusion müssen in übergeordneten Unternehmensstrategien wie etwa „Diversity-Strategien“ oder „Corporate Social Responsibility (CSR)“ eingebunden werden.
Nachhaltige Begleitung
In Deutschland existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Beratungsangebote für Menschen mit Behinderung. Die wenigsten konzentrieren sich aber bei der Beratung auf die Barrierefreiheit unter Berücksichtigung der spezifischen betrieblichen Belange und dann meist nur anlassbezogen (s.o.), obwohl die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ohne vorsorgliche Barrierefreiheit nicht entscheidend gesteigert werden kann. Nahezu gänzlich fehlen Ressourcen und finanzielle Mittel für eine flächendeckende fachliche Begleitung zur Barrierefreiheit, die über die Beratung hinausgeht. Der notwendige Ansatz einer für das Thema der Barrierefreiheit in der privaten Wirtschaft ausgerichteten kompetenten Begleitung zieht sich wie ein roter Faden durch die im Rahmen der Studie gefundenen Beispiele. Unternehmen im Ausland, die Inklusion als Bestandteil der Unternehmensziele definieren, nutzen oftmals externe Beratungsangebote, die den barrierefreien Umgestaltungsprozess nachhaltig begleiten und unterstützen. In der Studie werden Gesetzesänderungen vorgeschlagen, um die Beratungspotenziale vorhandener Stellen in Deutschland auf die Barrierefreiheit in der Privatwirtschaft auszudehnen.
Eine detailliertere Zusammenfassung der Studienergebnisse finden Sie hier.