Arbeitsmarktsituation von Frauen mit Schwerbehinderung
Auf dem Arbeitsmarkt erfahren verschiedene soziale Gruppen Nachteile, zum Beispiel Menschen mit Behinderungen im Vergleich zu solchen ohne Behinderung oder Frauen im Vergleich zu Männern. Die einzelnen Themen sind unterschiedlich gut erforscht. Ein oft zitiertes Beispiel ist der Gender Pay Gap: Frauen verdienten 2020 in ganz Deutschland durchschnittlich 18% weniger je Stunde als Männer (Destatis 2021). Ebenso anschaulich ist der Vergleich der Arbeitslosenquote von Menschen mit und ohne Schwerbehinderung: Im Jahr 2019 betrug diese bei Menschen ohne Schwerbehinderung 6,2%, bei Menschen mit Schwerbehinderung 10,9% (Bundesagentur für Arbeit 2020).
Während solche Auswertungen zahlreich vorhanden sind, gibt es wenig Forschung, die beide Merkmale (Geschlecht und Behinderung) gemeinsam untersucht. Hierzu veröffentlichte Aktion Mensch (2021) kürzlich eine umfassende Studie. Die Studie nutzt unterschiedliche Daten: Ausgewertet wurden zunächst die Mikrodaten des repräsentativen Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) von 2018. Um bessere Vergleiche von Frauen und Männern, jeweils mit und ohne Schwerbehinderung zu ermöglichen, wurde eine eigene Erhebung durchgeführt, für die jeweils rund 500 Personen der vier Teilgruppen befragt wurden.
Ausgewählte Ergebnisse werden im Folgenden vorgestellt.
Eine Fragestellung in der Studie ist, wie sich Art und Umfang der Erwerbstätigkeit zwischen den untersuchten Teilgruppen unterscheiden.
Die Grafik zeigt, dass Frauen mit einer Schwerbehinderung besonders selten einer Vollzeittätigkeit nachgehen (37%). Der Anteil ist sowohl in der Vergleichsgruppe der Frauen ohne Schwerbehinderung (59%) als auch in der Vergleichsgruppe der Männer mit Schwerbehinderung deutlich höher (69%). Die Gründe dafür, dass insbesondere Frauen mit einer Schwerbehinderung seltener in Vollzeit arbeiten, sind vielfältig. In der Studie gaben Frauen häufiger als Männer an, dass Sie zufrieden mit dem Status quo seien, ihnen die Freizeit wichtiger sei als ein höherer Lohn und dass Arbeit im Haushalt oder in der Familie eine Vollzeittätigkeit nicht ermögliche. Die befragten Personen mit einer Schwerbehinderung führen als Gründe insbesondere an, dass sie körperlich und/oder psychisch nicht zu mehr Arbeit in der Lage sind (Aktion Mensch 2021: S. 24f).
In der eigenen Befragung im Rahmen der Studie wurde zudem erhoben, wie häufig Unterbrechungen in der Erwerbstätigkeit bei den unterschiedlichen Teilgruppen vorkamen.
Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen mit einer Schwerbehinderung besonders häufig solche Erwerbsunterbrechungen aufweisen. Nur jede zehnte der Frauen mit einer Schwerbehinderung gab an, noch nie ihre Erwerbstätigkeit für mindestens ein halbes Jahr unterbrochen zu haben. Bei den Männern ohne Schwerbehinderung sind dies mit 57% mehr als die Hälfte. Die Auswertung deutet darauf hin, dass die Schwerbehinderung einen größeren Einfluss auf die Anzahl der Unterbrechungen haben als das Geschlecht - Männer mit Schwerbehinderung sind stärker von Erwerbsunterbrechungen betroffen als Frauen ohne Schwerbehinderung. Dafür spricht auch, dass als häufigster Grund der Unterbrechungen Krankheiten genannt wurden. Bei den weiteren Gründen fällt auf, dass Frauen - unabhängig von einer vorliegenden Schwerbehinderung - häufiger wegen Eltern-/Erziehungszeiten ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen (Aktion Mensch 2021: S. 29).
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Teilhabe Arbeitsleben von Frauen mit einer Schwerbehinderung besonders erschwert ist. Die Interaktion mehrerer Merkmale bei der Teilhabe kann sich je nach Untersuchungsgegenstand deutlich unterscheiden - das zeigt sich in der vorliegenden Untersuchung. Dass Merkmale wie das Geschlecht einen Einfluss auf die Teilhabe am Arbeitsleben und andere Lebensbereiche haben kann, muss auch bei der Erbringung von Leistungen zur Reha und Teilhabe berücksichtigt werden. Insofern unterstreichen die Befunde der Studie die Wichtigkeit einer individuellen Fallbehandlung, bei der auch personbezogene Merkmale berücksichtigt werden.
Die vollständige Studie ist kostenlos auf der Website von Aktion Mensch verfügbar.
Quellen
Aktion Mensch e.V., SINUS-Institut (2021): Situation von Frauen mit Schwerbehinderung am Arbeitsmarkt. Studie zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Teilhabe am Erwerbsleben. Online verfügbar unter https://www.aktion-mensch.de/inklusion/arbeit/frauen-mit-behinderung-auf-dem-arbeitsmarkt.html. Zuletzt geprüft am 07.04.2021.
Bundesagentur für Arbeit (2020): Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung. Berichtsjahr 2019. Online verfügbar unter https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html?nn=1262946&topic_f=analyse-arbeitsmarkt-schwerbehinderte. Zuletzt geprüft am 07.04.2021.
Destatis - Statistisches Bundesamt (2021): Pressemitteilung Nr. 106. Wiesbaden. 09.03.2021. Online verfügbar unter https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/03/PD21_106_621.html. Zuletzt geprüft am 07.04.2020.