Rolle der Leistungs­erbringer bei der Bedarfs­ermitt­lung und Bedarfs­fest­stellung

Kurz und knapp

  • Eine umfassende Bedarfsfeststellung ist Aufgabe des leistenden Reha-Trägers (vgl. § 14 Abs. 2 SGB IX i.V.m. § 27 GE Reha-Prozess).
  • Mit der Bedarfsermittlung und -feststellung wird die Grundlage für die Leistungsentscheidung geschaffen.
  • Leistungserbringer…

… können von den Reha-Trägern für Assessments, Diagnostik, Eignungsabklärungen beauftragt werden (vgl. § 46 GE Reha-Prozess).

… konkretisieren zu Beginn der Leistungsdurchführung die individuellen Teilhabeziele und Leistungen.
 

Allgemeines zur Bedarfs­ermittlung und Bedarfs­fest­stellung

Der leistende Reha-Träger ist für eine umfassende und damit ggf. auch trägerübergreifende Feststellung des individuellen Bedarfs verantwortlich (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, § 27 GE Reha-Prozess). Die Bedarfsermittlung schafft dabei die notwendigen Voraussetzungen für die formale Konkretisierung des individuellen Bedarfs als Basis zur Entscheidung über Leistungen (Bedarfsfeststellung). Sofern Anhaltspunkte für einen trägerübergreifenden Bedarf bestehen, bezieht der leistende Reha-Träger andere Reha-Träger in die Bedarfsermittlung ein (z. B. durch ein Antragssplitting, vgl. § 15 SGB IX) und wirkt auf die Erstellung eines Teilhabeplans hin (vgl. § 19 SGB IX, vgl. Kapitel Teilhabeplanung).

Die Reha-Träger setzen zur Bedarfsermittlung systematische Arbeitsprozesse (z. B. Erhebungen, Analysen, Dokumente) und standardisierte Arbeitsmittel (z. B. Testverfahren, Fragebögen, Befundberichte) ein (Instrumente, § 13 SGB IX). Diese Instrumente sollen den von den Reha-Trägern in §§ 35 ff. GE Reha-Prozess vereinbarten Grundsätzen entsprechen. Der leistende Reha-Träger kann zudem ein Gutachten bei einem Sachverständigen in Auftrag geben, wenn dies für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs erforderlich ist (§ 17 SGB IX). Gutachten stellen ein besonderes Instrument der Bedarfsermittlung dar, das ebenfalls den in der GE Reha-Prozess vereinbarten Grundsätzen unterliegt (§ 38 Abs. 3 GE Reha-Prozess). Einheitliche Grundsätze für die sozialmedizinische Begutachtung wurden zudem in der Gemeinsamen Empfehlung „Begutachtung“ vereinbart.

Mit Instrumenten der Bedarfsermittlung, wie systematischen Arbeitsprozessen und standardisierten Arbeitsmitteln sowie Begutachtungen, wird erfasst,

  • ob eine Behinderung oder ein Gesundheitsproblem bzw. eine Beeinträchtigung vorliegt oder zu erwarten ist,
  • welche Auswirkung die Beeinträchtigungen auf die Teilhabe hat,
  • welche Ziele mit Leistungen zur Teilhabe erreicht werden sollen,
  • welche Leistungen voraussichtlich zur Erreichung der Ziele erfolgreich sind (§ 13 Abs. 2 SGB IX).

Eine wichtige Anforderung an die Bedarfsermittlung ist dabei, dass sie einerseits umfassend zugleich aber auch individuell und funktionsbezogen zu erfolgen hat. Eine individuelle Bedarfsermittlung setzt als Ausgangspunkt an der aktuellen Lebenssituation eines Menschen mit seinen jeweiligen Kompetenzen und Unterstützungsbedarfen an. Dabei sind auch ggf. besondere Bedarfe von Angehörigen (z. B. Kinder Suchtkranker in der Entwöhnungsbehandlung) oder etwa der schulische Förderungsbedarf im Bereich der Kinder- und Jugendlichenrehabilitation zu berücksichtigen.

Rolle der Leistungs­erbringer bei der Bedarfs­ermittlung und Bedarfs­fest­stellung

Bei der Bedarfsermittlung können die Reha-Träger und Integrationsämter auch auf die Expertise Dritter (z. B. Leistungserbringer) zurückgreifen, wenn z. B. umfangreiche Assessments erforderlich sind (vgl. § 46 GE Reha-Prozess). Neben umfangreichen Assessments ist auch die Beauftragung der Leistungserbringer mit der Durchführung von einzelnen Instrumenten im Rahmen der Bedarfsermittlung möglich (vgl. auch Bedarfsermittlungskonzept für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben S. 82).

Die umfassende Bedarfsfeststellung – als Voraussetzung für die Leistungsentscheidung – liegt dennoch in der Verantwortung des leistenden Reha-Trägers (§ 14 Abs. 2 SGB IX). Die Ermittlungen der Leistungserbringer sind dabei als eine Grundlage zu berücksichtigen. Relevante Informationen werden von den Reha-Trägern regelmäßig im Rahmen sozialmedizinischer oder psychologischer sowie ergo-/arbeitstherapeutischer Beurteilungen erhoben, die von wesentlicher Bedeutung sein können. Auch die Informationen aus den Zwischen- und Abschlussberichten der Leistungserbringer werden ggf. – unter Beachtung des Datenschutzes – von den Reha-Trägern ausgewertet (§ 46 Abs. 3 i. V. m. §§ 80 bis 83, 86 GE Reha-Prozess).

Zu Beginn der Leistungsdurchführung stellen die Reha-Träger ihre Ergebnisse der Bedarfsermittlung den Leistungserbringern zur Verfügung (§ 46 Abs. 2 GE Reha-Prozess). Von den Leistungserbringern werden auf dieser Grundlage die individuellen Teilhabeziele und Leistungen konkretisiert (vgl. Kapitel Durchführung). Doppelerhebungen sind dabei zu vermeiden. Die Ergebnisse werden von den Leistungserbringern in einem Planungsinstrument (z. B. Rehabilitationsplan, Förderplan, Qualifizierungsplan, Bildungsplan oder Entwicklungsplan) festgehalten (vgl. Kapitel Durchführung). Hieraus können sich Anhaltspunkte für neue oder veränderte Bedarfe ergeben (vgl. Kapitel Bedarfserkennung), die dann in die Bedarfsermittlung und ggf. die Teilhabeplanung (vgl. Kapitel Teilhabeplanung) der Reha-Träger einfließen bzw. diese erneut auslösen können.

Besonder­heiten bei Leistungen zur Teil­habe am Arbeits­leben

Bei LTA können Leistungserbringer im Rahmen der Bedarfsermittlung z. B. mit Assessments, Arbeitserprobungen, Belastungserprobungen, Eignungsabklärungen oder Profilings beauftragt werden (vgl. Bedarfsermittlungskonzept LTA, S. 89 ff).

Durch diese Leistungen können z. B. individuelle Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kompetenzen oder Potentiale des Menschen mit Behinderung mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes oder eines Berufsbildes bzw. konkreten Arbeitsplatzes abgeglichen werden. Häufig werden solche Eignungsabklärungen oder Assessments einer weiteren Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, z. B. einer Weiterbildung oder Umschulung, vorgeschaltet. Sie können aber auch Bestandteil von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sein, z. B. bei der Unterstützten Beschäftigung (vgl. § 55 SGB IX). Hier werden in der Orientierungsphase zunächst Interessen, Fähigkeiten und Unterstützungsbedarfe festgestellt, bevor die Qualifizierung für einen geeigneten Arbeitsplatz beginnt.

Eine Arbeitshilfe für die Bedarfsermittlung bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten Fachkräfte mit dem Basiskonzept und der Instrumentendatenbank (vgl. Bedarfsermittlungskonzept LTA). 

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