Was ist das Betriebliche Eingliederungsmanagement?
Das BEM wurde bereits im Mai 2004 als unternehmerische Aufgabe geregelt. Die Regelung befindet sich im Sozialgesetzbuch IX - § 167 Abs. 2 SGB IX. Jeder Arbeitgeber, angefangen von dem 3-Personen-Familienbetrieb bis hin zum Großkonzern, muss das BEM verpflichtend durchführen. Es ist auf alle Betriebsgrößen und Rechtsformen anzuwenden. Die Arbeitgeber sind hiernach gegenüber ihren Beschäftigten dazu verpflichtet, ihnen spätestens nach Ablauf einer sechswöchigen ununterbrochenen oder wiederholt auftretenden Zeit der Arbeitsunfähigkeit ein BEM anzubieten. In diesem Rahmen klären Arbeitgeber gemeinsam mit ihren betroffenen Beschäftigten die Möglichkeiten,
- wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden wird,
- mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt sowie
- der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
Zum BEM gehört dementsprechend all das, was geeignet ist, die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Behinderungen langfristig zu sichern. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die gesundheitliche Gefährdung arbeitsbedingt ist oder nicht.
Wer muss initiativ tätig werden und unter welchen Voraussetzungen kann es gelingen?
Das BEM ist für Arbeitgeber eine gesetzliche Pflicht. Sie müssen initiativ tätig werden und ihren Beschäftigten ein solches anbieten. Es ist unabhängig von einer bereits vorliegenden Behinderung für alle Beschäftigten verpflichtend durchzuführen. Gerade auch bei Personen mit einem bereits bestehenden Handicap ist ein rechtzeitiges Aktivwerden zur Vermeidung möglicher weiterer gesundheitlicher Verschlechterungen bedeutsam. Die Arbeitgeber begeben sich gemeinsam mit ihren Beschäftigten auf die Suche nach einem geeigneten Lösungsansatz. Je nach Bedarf gilt es, hierbei präventive und rehabilitative Maßnahmen individuell miteinander zu verknüpfen. Eine positive Grundhaltung beider Seiten bildet die grundlegende Basis für ein gelingendes BEM.
Gleichzeitig sind schriftliche Aufzeichnungen sowie eine planvolle Zusammenarbeit mit betriebsinternen und auch -externen Akteuren und Organisationen wesentliche Voraussetzungen für eine gelingende betriebliche Wiedereingliederung. In der Praxis hat es sich als sinnvoll erwiesen, dass betriebsintern eine Kontaktperson für die Organisation und Einzelfallbetreuung des BEM benannt wird. Dieser innerbetriebliche "Kümmerer" eignet sich gleichzeitig auch als zentraler Ansprechpartner für die überbetrieblichen Partner, z.B. die Reha-Träger und das Integrationsamt. Er kann direkt reagieren, wenn Abläufe nicht optimal verlaufen. In kleineren (Familien-)Betrieben kann diese Funktion oftmals nur vom Betriebsinhaber selbst wahrgenommen werden.
Welche Folgen hat es, wenn der Arbeitgeber das BEM nicht anbietet und durchführt?
Wenn der Arbeitgeber mit seinen länger erkrankten Beschäftigten (6 Wochen) kein BEM-Verfahren durchführt und folglich krankheitsbedingt kündigt, kann dies vor Gericht als unverhältnismäßig eingestuft werden und zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Der Arbeitgeber muss vor Gericht nachweisen, dass er wirklich alles unternommen hat, um den Arbeitsplatz zu erhalten und dass ein BEM in keinem Fall dazu geführt hätte, der Arbeitsunfähigkeit entgegenzuwirken, auch nicht durch Leistungen der Rehabilitationsträger. Dazu gehört auch die Prüfung, ob innerhalb des Betriebes ein dem Gesundheitszustand entsprechender anderer Arbeitsplatz hätte angeboten werden können.
Sind Beschäftigte zur Annahme und Durchführung eines BEM verpflichtet?
Die Selbstbestimmung und Mitwirkung der Beschäftigten stehen durchgehend im Mittelpunkt des Geschehens. Das BEM wird demnach nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn die Beschäftigten dem BEM und den hierbei handelnden Personen und Institutionen Vertrauen entgegenbringen. Sie sind vorab und auch über den gesamten Verlauf hinweg zu informieren. Nur so können Sie das BEM verstehen. Und nur dann wird jeder Einzelne sich auch überzeugt einbringen.
Die BEM-berechtigten Beschäftigten sind folglich "Herr des Verfahrens". Nur mit einer vorherigen Aufklärung durch den Arbeitgeber sowie einer vorliegenden Einwilligung darf das BEM durchgeführt werden. Gleichzeitig kann es jeder Zeit ohne Angabe von Gründen von den BEM-berechtigten Beschäftigten beendet werden. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass in den Fällen, in denen Arbeitgeber ein BEM anbieten und dieses Angebot von der BEM-berechtigten Person abgelehnt wird, Kündigungen vor Gericht von den Arbeitgebern leichter verteidigt werden können.
Was muss der Arbeitgeber gegenüber seinen BEM-berechtigten Beschäftigten beachten?
Ein wirksamer und sorgfältiger Datenschutz ist eine Grundvoraussetzung für das BEM. Gesetzlich ist die Aufklärung v.a. über die Zielstellung sowie über die erforderliche Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter zum BEM zwingend vorgeschrieben. Die Zustimmung zum BEM muss grundsätzlich in schriftlicher Form erfolgen. Falls nicht bereits in der Einwilligungserklärung enthalten, können weitere (schriftliche) Zustimmungserklärungen der BEM-Berechtigten bzgl. der Datenverarbeitung erforderlich sein. Ziel sollte es sein, möglichst wenige personenbezogene Daten zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen. Es ist stets zu hinterfragen, ob die Daten für das BEM wirklich nötig sind.
Mit der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) sind ab dem 25.05.2018 neue Regelungen zum Datenschutz in Kraft getreten. Der BEM-Praxisleitfaden der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Kapitel 5, Seite 30 ff.) enthält weiterführende Hinweise zur Handhabung des Datenschutzes und berücksichtigt hierbei diese Neuregelungen. Es wird über die Vorgehensweise zur Erhebung, Speicherung und Weitergabe von Daten informiert.
Gibt es über das Gesetz hinaus Prinzipien und Aspekte, die zu beachten sind?
Auch wenn das Gesetz selbst lediglich den Rahmen des BEM beschreibt, sind von den Arbeitgebern bestimmte Prinzipien zu beachten. Die Arbeitsgerichtsbarkeit hat die Anforderungen an ein BEM in den letzten Jahren in zahlreichen Urteilen konkretisiert. Die Internetseite "Talent Plus" zeigt eine stets aktuelle Übersicht aller Gerichtsurteile zum BEM. Hier können auch konkrete Praxisfallschilderungen zum BEM abgerufen werden.
Letztendlich sollte stets im Hinterkopf behalten werden:
- Der Versuch einer betrieblichen Eingliederung im Rahmen eines BEM muss immer vor einer krankheitsbedingten Kündigung stehen (juristischer Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Ultima-ratio-Prinzip).
- Ein BEM ist auch dann durchzuführen, wenn ein Zusammenhang zwischen der gesundheitlichen Situation und der Arbeit nicht bestehen sollte.
- In den zu führenden Gesprächen sind die von den Teilnehmern eingebrachten Vorschläge sachlich zu erörtern. Es darf keine vernünftige Anpassungsmöglichkeit ausgeschlossen werden.
- In den Fällen, in denen Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe in Betracht kommen, sind die Reha-Träger oder bei schwerbehinderten Beschäftigten die Integrationsämter hinzuzuziehen. Die Reha-Träger und die Integrationsämter wirken ihrerseits darauf hin, dass die erforderlichen Hilfen unverzüglich beantragt sowie fristgerecht erbracht werden (vgl. "WO – finden Sie weitere Services und Informationen?")
- Das BEM stellt kein Allheilmittel dar, und die erfolgreiche betriebliche Eingliederung kann nicht garantiert werden. Die Praxis zeigt jedoch, dass sich die Eingliederungschancen erhöhen, wenn einer längeren Trennung vom Arbeitsplatz rechtzeitig entgegengewirkt wird.
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