Aktuelles zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

In den letzten Wochen und Monaten ist sie bundesweit intensiv diskutiert worden: Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Zu verschiedenen Anlässen wurde in der Reha-Info bereits über dieses zentrale Übereinkommen berichtet. Mit dem Beschluss des Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung durch das Bundeskabinett ist nun ein Dokument verabschiedet worden, das eine wesentliche Grundlage für zukünftige Weiterentwicklungen und Aktivitäten zur Verbesserung von Inklusion und Teilhabe und damit zur Umsetzung der UN-BRK bildet.

Hintergründe zur UN-Behindertenrechtskonvention

Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf eine selbstbestimmte Teilhabe in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens. Trotz zahlreicher Gesetze und Regelungen erfahren aber auch in Deutschland viele von ihnen im Alltag noch immer Einschränkungen dieser Teilhabe. Bei uns leben rund 9,6 Millionen Menschen mit einer Behinderung; weltweit sind es mehr als eine Milliarde.

Bereits im Jahr 2001 hatte deshalb die Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen, ein umfassendes internationales Übereinkommen zu erarbeiten, das die Rechte von Menschen mit Behinderung und ihre gleichberechtigte Teilhabe fördert und schützt. Die UN-BRK soll sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen den gleichen menschenrechtlichen Schutz erhalten wie Menschen ohne Behinderungen.

In Deutschland ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen seit dem 26. März 2009 verbindlich. Inklusion wurde damit ein bundesweit umzusetzendes Menschenrecht für Menschen mit Behinderung. Seitdem hat die Bundesregierung unter Beteiligung der Zivilgesellschaft den Nationalen Aktionsplan zur Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung entwickelt, der als eines der wichtigsten sozialpolitischen Vorhaben der aktuellen Legislaturperiode gilt. Sein Leitgedanke und zentrales Handlungsprinzip ist die Idee der Inklusion.

Explizit wird in Artikel 26 der UN-BRK der umfassende Aspekt „Habilitation und Rehabilitation“ aufgegriffen. In den Vertragsstaaten sollen entsprechende Dienste bzw. Programme gestärkt und erweitert werden, um das Ziel der vollen Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu erreichen und zu bewahren. Diese Anforderung berührt auch wesentliche Aufgabengebiete der BAR.

Drei Institutionen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

Nach Artikel 33 UN-BRK sind zu ihrer Umsetzung bestimmte innerstaatliche Strukturen zu schaffen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurde beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zunächst ein sogenannter „Focal Point“ eingerichtet. Das BMAS ist damit auf Bundesebene als staatliche Anlaufstelle federführend für die Umsetzung der UN-BRK und für die Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans zuständig.

Zusätzlich zum Focal Point soll eine staatliche Koordinierungsstelle installiert werden. Diese wurde beim Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen angesiedelt. Zu ihren Aufgaben gehört es insbesondere darauf zu achten, dass die Umsetzung der UN-BRK unter aktiver Einbindung von Menschen mit Behinderung erfolgt. Zu diesem Zweck wurde ein Inklusionsbeirat eingerichtet, der die Umsetzung langfristig und strategisch begleiten soll. Er stellt die Schnittstelle zwischen staatlicher Ebene und Zivilgesellschaft dar. Im Inklusionsbeirat sind mehrheitlich Menschen mit Behinderung vertreten. Er wird von vier Fachausschüssen zu unterschiedlichen Themengebieten unterstützt. Die BAR wurde hier als Mitglied in den Fachausschuss „Gesundheit, Pflege, Prävention, Rehabilitation“ berufen.

Neben diesen beiden Institutionen wurde außerdem eine unabhängige Monitoringstelle eingerichtet, die die Rechte aus der Konvention stärken und fördern und die Umsetzung der UN-BRK überwachen soll. Hierfür wurde das Deutsche Institut für Menschenrechte e.V. benannt.

Die BAR steht mit allen innerstaatlichen Stellen in engem Kontakt und sieht ihre Aufgabe vor allem in der trägerübergreifenden und inklusiven Weiterentwicklung der Rehabilitation und Teilhabe.

Nationaler Aktionsplan zur UN-Behindertenrechtskonvention beschlossen

Am 15. Juni 2011 ist im Bundeskabinett der Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (NAP) unter dem Titel „‘einfach machen‘ – Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft“ beschlossen worden. Das umfassende Dokument war nicht nur von Menschen mit Behinderung mit Spannung erwartet worden. Die Bundesregierung will damit einen Prozess anstoßen, der „in den kommenden zehn Jahren nicht nur das Leben von Menschen mit Behinderung, sondern das aller Menschen in Deutschland maßgeblich beeinflussen“ soll.
Ziel des NAP ist,

  • Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen,
  • Chancengleichheit in der Bildung und in der Arbeitswelt herzustellen und
  • allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit auf einen selbstbestimmten Platz in einer barrierefreien Gesellschaft zu geben.

Der NAP fasst insgesamt rund 200 Maßnahmen der Bundesregierung für zwölf Handlungsfelder in einer Gesamtstrategie zur Umsetzung der UN-BRK zusammen. Darin flossen teilweise die Ideen und Visionen der Zivilgesellschaft und der Verbände behinderter Menschen ein. Die BAR hat sich , auch im Rahmen einer Stellungnahme, mit konkreten Vorschlägen zur Weiterentwicklung der Rehabilitation und Teilhabe engagiert.

Rehabilitation und Teilhabe - Herausforderungen

Nach der Veröffentlichung des NAP gilt es nun, gemeinsam mit Menschen mit Behinderung den Leitgedanken der Inklusion umzusetzen. Alle Akteure sind zu eigenen Aktionsplänen und konkreten Maßnahmen aufgerufen. Vielfach wurde bereits die Initiative ergriffen. Auch die BAR hat sich bereits mit den Möglichkeiten zur Umsetzung der UN-BRK innerhalb ihrer Aufgabenbereiche befasst. In der UN-BRK liegen viele Chancen, die es jetzt beharrlich und konstruktiv zu nutzen gilt.

Ein zentrales Handlungsfeld im NAP bilden „Arbeit und Beschäftigung“. Als ein weiteres wurden „Prävention, Rehabilitation, Gesundheit und Pflege“ benannt. Beide betreffen wesentliche Aspekte des Rehabilitationswesens. Interessant ist hier zunächst der Hinweis, dass die Notwendigkeit einer Anhebung des Reha-Deckels im Trägerbereich der Rentenversicherung geprüft werden soll. Auch das Recht der Rehabilitation im SGB IX soll laut NAP in Bezug auf den angestrebten inklusiven Ansatz weiterentwickelt werden. Eine Evaluation des SGB IX steht ab 2013 auf der Agenda. Einzelne Themenbereiche daraus, wie z. B. Gemeinsame Servicestellen oder das Persönliche Budget, werden bereits vorher aufgegriffen; die Verzahnung aller Akteure und Leistungen sowie die Information und Beratung über bestehende Angebote werden in den Blick genommen.

Trägerübergreifender Maßnahmen-Katalog auf BAR-Ebene

Im Sommer 2010 startete eine BAR-Projektgruppe, die einen trägerübergreifenden Maßnahmen-Katalog der Rehabilitationsträger zur Umsetzung der UN-BRK im Bereich der Rehabilitation erarbeitet. Von Anfang an wurden dabei Menschen mit Behinderung einbezogen. Zum Projekt-Auftakt war zunächst auf der REHACARE im Oktober 2010 in Düsseldorf ein gemeinsamer Workshop der BAR mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen veranstaltet worden, bei dem neben den Rehabilitationsträgern insbesondere betroffene Menschen als Referent/-innen und Diskussionsteilnehmer/-innen unter dem Titel „Was können wir tun?“ agierten. Die Ergebnisse des Workshops flossen in den Entwurf des Maßnahmen-Katalogs ein, in dessen Entwicklung im weiteren auch der BAR-Sachverständigenrat der Behindertenverbände und die BAR-Arbeitsgruppe „Barrierefreie Umweltgestaltung“ eingebunden waren.

Im Maßnahmen-Katalog konzentrieren sich die Rehabilitationsträger auf drei ausgewählte Handlungsfelder:

  • Bewusstseinsbildung
  • Barrierefreiheit
  • Internationale Kooperation und Erfahrungsaustausch, insbesondere auf europäischer Ebene,

in denen die Umsetzung der UN-BRK im Bereich Rehabilitation vorangetrieben werden soll. Die Maßnahmen knüpfen an bereits mit der Einführung des SGB IX erfolgte Aktivitäten an, die zur Verbesserung von Rehabilitation und Teilhabe sowohl auf Ebene der BAR als auch bei den einzelnen Rehabilitationsträgern durchgeführt wurden. Der Katalog ist so angelegt, dass die fokussierten Handlungsfelder später erweitert werden können.

TüF-Seminar zur praktischen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
Foto: Die Referenten des TüF-Seminars „UN-BRK - Umsetzung in der Praxis“: Torsten Einstmann, Rika Esser, Dr. Andreas Kranig (v. links)

Am 18. Mai 2011 fand in der BAR-Geschäftsstelle erstmalig ein Trägerübergreifendes Seminar für Fachkräfte in der Rehabilitation zur UN-BRK statt. Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiedenen Trägerbereichen diskutierten intensiv das Titel-Thema der Veranstaltung „UN-Behindertenrechtskonvention - Umsetzung in der Praxis“ für den Bereich Rehabilitation. Viele konnten dabei über Ideen und erste Schritte in ihrem Arbeitsbereich berichten.

Zum Auftakt stellte Torsten Einstmann, Leiter des Interministeriellen Arbeitsstabes beim Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, die UN-BRK und den Entwurf des Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung vor. Im Anschluss daran wurde von Rika Esser die UN-BRK aus der Perspektive von betroffenen Menschen dargestellt. Im letzten Vortrag berichtete Dr. Andreas Kranig, Leiter der Abteilung Versicherung und Leistung der DGUV, von den Erfahrungen der Unfallversicherung bei der Erarbeitung eines DGUV-Aktionsplans. Nach den einführenden Vorträgen erhielten die Seminarteilnehmenden die Gelegenheit, sich in Kleingruppendiskussionen konkret über bestehende Handlungsbedarfe und mögliche Lösungsmaßnahmen zur Umsetzung der UN-BRK auszutauschen. Dabei kamen auch bestehende Hindernisse im Praxis-Alltag zur Sprache. Deutlich wurde, dass die Möglichkeit zum Austausch über die UN-BRK in der Praxis auch in Zukunft wünschenswert sei.

Die Präsentationsfolien der Referent/-innen sind im Internet unter www.bar-frankfurt.de einsehbar.