Barrierefreiheit sichtbar machen

Ein Forschungsprojekt zu räumlichen Barrieren von Sportstätten

Der Sport ist ein Kulturbereich unserer Gesellschaft, der gemäß den Ansprüchen von Sportpolitik und -organisationen für alle Menschen zugänglich sein sollte. Dies beinhaltet sowohl das aktive Sporttreiben im Spitzen-, Breiten-, Freizeitoder Schulsport, aber auch die Teilhabe an Sportevents als Zuschauerinnen und Zuschauer sowie die Übernahme von haupt- oder ehrenamtlichen Funktionen in Vereinen und Verbänden. Allgemeine Zugänglichkeit und gleichberechtigte Teilhabe an allen Bereichen des Sports sind jedoch bis dato noch nicht vollumfänglich gegeben. Die Projektleiter Jonas Wibowo, Jan Haut und Lasse Müller stellen Ergebnisse eines Forschungsprojektes an der Bergischen Universität Wuppertal zur Barrierefreiheit von Sportstätten vor.

Räumliche Barrieren von Sportstätten sind ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Teilhabe im Sport. In Deutschland ist die Forderung nach Zugänglichkeit zum Sport für alle bereits seit 2002 im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) mit der Verpflichtung zur Förderung der Barrierefreiheit bei öffentlichen Baumaßnahmen verankert. Das BGG zielt dabei auf die Gleichstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen im Verhältnis zu Menschen ohne Beeinträchtigungen. Andere Ansätze zum Thema Barrierefreiheit wie z. B. das Universal Design gehen einen Schritt weiter, indem nicht die Gleichstellung mit dem Ziel des Diskriminierungsabbaus im Vordergrund steht, sondern die optimale Nutzbarkeit für alle Menschen. Während es im Rahmen des BGG auch legitim wäre, wenn etwas für alle in gleichem Maße nicht oder schlecht nutzbar ist, liegt der Fokus des Universal Design darauf Räume so zu verändern, dass sie optimal für alle nutzbar sind. Betrachten wir Sportstätten als Grundvoraussetzung für das Sporttreiben der Bevölkerung, so ist zwingend notwendig die Nutzbarkeit und Zugänglichkeit in der Sportentwicklungsplanung oder bei kommunalen Entscheidungen über Bauvorhaben zu berücksichtigen. Zielstellung unserer Arbeit ist es, (standardisierte) Informationen über die Barrierefreiheit von Sportstätten zu erzeugen, die es verschiedenen Nutzungsgruppen ermöglicht, die subjektive Nutzbarkeit zu beurteilen. Eine zentrale Herausforderung dabei ist die Heterogenität der Zielgruppen. Nehmen wir z. B. eine blinde Person ohne Restsehvermögen. Für diese Person ist die taktile Erfassbarkeit und ihre Informationsdarstellung einer Sportanlage zentral. Für eine Person mit einem stark eingeschränkten, aber noch vorhandenen Sehvermögen dagegen spielt die visuell kontrastreiche Gestaltung kritischer Flächen und Informationen eine wichtige Rolle.

Häufig stößt das Thema Barrierefreiheit in öffentlichen Diskussionen vor allem bei kommunalen Betreiberinnen und Betreibern auf Berührungsängste, da es unmittelbar mit teuren Baumaßnahmen assoziiert wird. Dies greift jedoch zu kurz: Bei den Special Olympics World Games 2023 in Berlin war z. B. die Bereitstellung von Informationen über Beschilderungen und Leichte Sprache von elementarer Bedeutung. Symbolische und piktorale Informationen auf Schildern und kontrastreiche Flächen sind entscheidend für die Orientierung und somit vorteilhaft für alle Nutzungsgruppen. Sie können in aller Regel kostengünstig mit eigenen Ressourcen optimiert werden. Barrierefreiheit umfasst mehr als nur Aufzüge und Rampen – sie beinhaltet Aspekte wie Akustik, Bedienbarkeit, Beleuchtung, Ordnungssysteme, Beschilderung, Farben, Kontraste, Erreichbarkeit aber auch den Schutz vor Klimaeinflüssen.

In einem ersten Schritt wurden durch unsere Arbeitsgruppe sämtliche deutschsprachigen Leitfäden und Normen ausgewertet, die Kriterien der Barrierefreiheit zu den Sportstättentypen Sporthallen, Sportplätze und Bäder beinhalten. So konnte eine umfangreiche Liste von 1.600 Einzelkriterien erstellt werden. Mittels Interviews mit Expertinnen und Experten wurden dann verschiedene Ansätze bewertet, um diese Bestandsaufnahme auf ein handhabbares Maß zu reduzieren.

Es musste jedoch festgestellt werden, dass jegliche Reduktionsstrategien potenziell mit Diskriminierungen einzelner Personengruppen einhergehen. Daher erscheint es wichtig, Barrierefreiheit vollumfänglich abzubilden und nicht einzelne Bereiche hervorzuheben oder auszuschließen. Unserer Einschätzung nach ist das Fehlen empirischer Daten zur Bedeutsamkeit einzelner Raumeigenschaften für unterschiedliche Personengruppen für Ungleichgewichte in bestehenden Systemen und Debatten mitverantwortlich. Daher führen wir weitere Forschungsprojekte durch und begehen unter anderem mit verschiedenen Personengruppen unterschiedliche Sportstättentypen, um jenseits von Einzelinteressen ein standardisiertes Maß einer Barrierefreiheit für alle zu erstellen. In einem weiteren Ansatz unserer Arbeitsgruppe arbeiten wir konkret an einem Zertifikatssystem, um Barrierefreiheit sichtbar machen zu können. Dieses soll dabei unterstützen, das Thema künftig in der Sportstättenplanung leichter zu berücksichtigen.

Die Forschungsprojekte an der Bergischen Universität Wuppertal zur Barrierefreiheit von Sportstätten werden vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert und in Kooperation mit dem Deutschen Behindertensportverband durchgeführt. Weitere Informationen zum Projekt stehen online auf der Projektseite „Indikatoren der Barrierefreiheit von Sportstätten (IBASS)“:
www.sportpaedagogik.uni-wuppertal.de > Personal > PD Dr. Jonas Wibowo > Barrierefreiheit von Sportstätten