Arbeitsgruppe 3: Praxis trifft Recht

Der Gesetzgeber hat den THVB als Instrument zur Evaluation des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) eingeführt. In dieser Arbeitsgruppe wurde gemeinsam diskutiert, welche Ergebnisse aus dem THVB auf Abweichungen zwischen „Praxis und Recht“ hinweisen. Woran könnten diese Abweichungen liegen? Wie könnten Lösungsansätze zum Überwinden der Diskrepanz konkret aussehen?

Moderiert wurde die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Torsten Schaumberg (HS Nordhausen, Professur für Sozialrecht) und Gülcan Miyanyedi (BAR).

Fristen und Zuständigkeitsklärung

Im Jahr 2023 wurde die 14-Tage-Frist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX über alle Trägerbereiche hinweg in 17,5 Prozent der Anträge überschritten.

In der Arbeitsgruppe wurden die Gründe für Fristüberschreitungen bei der Zuständigkeitsfeststellung diskutiert. Die Frist wurde bei komplexen Fällen als zu kurz angesehen, jedoch in den meisten Fällen als ausreichend bewertet. Wichtige Einflussfaktoren sind die Qualität der Antragsunterlagen sowie die klare Trennung zwischen formeller und materieller Zuständigkeit in der Sachbearbeitung. Wissenslücken und Fachkräftemangel bei den Trägern, bedingt durch Fluktuation und Umorganisationen, tragen ebenfalls zu Verzögerungen bei.

Lösungsansätze:

  • Einführung einer weiteren „Turbo-Klärung“ für komplexe Fälle
  • Vereinfachung der Zuständigkeitsklärung durch einen einheitlichen Reha-Antrag mit trägerspezifischen und wesentlichen Informationen
  • Erstellung einer trägerübergreifenden Tabelle mit Ansprechpersonen zur besseren Zusammenarbeit
  • Förderung regionaler Netzwerke zur Abstimmung zwischen Trägern und Leistungserbringern
  • Stärkere Flexibilität und pragmatische Verfahren für komplexe Fälle, zum Beispiel durch trägerübergreifendes Fallmanagement
  • Genehmigungsfiktion für alle Träger, inklusive der Eingliederungshilfe
  • Verbesserung des Zugangs zur Sozialgerichtsbarkeit für Betroffene

Sanktionen bei Fristüberschreitungen

Es wurde diskutiert, ob die bestehenden Sanktionen bei Fristüberschreitungen ausreichen. Das Verhältnis zwischen der Anzahl an Fristüberschreitungen und der Zahl von Widersprüchen, Klagen oder selbstbeschafften Leistungen wird als unausgewogen empfunden.

Lösungsansätze:

  • Verständliche Information über bestehende Rechtsschutzmöglichkeiten für leistungsberechtigte Menschen
  • Förderung eines einfacheren Zugangs zur Sozialgerichtsbarkeit
  • Stärkung der Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB)
  • Einführung einer Genehmigungsfiktion für alle Rehabilitationsträger

Persönliches Budget

Das Persönliche Budget (PB) wurde in der Arbeitsgruppe umfassend diskutiert. Dabei wurde zunächst thematisiert, dass es keine einheitliche Definition des PB auf Seiten der Reha-Träger gibt, da das Leistungsangebot unterschiedlich sei. Dies führe zu verschiedenen Interpretationen des Konzepts.

Erschwerend komme hinzu, dass betroffene Menschen davon ausgehen, dass sie mit einem PB vollständig und selbstbestimmt über alle benötigten Leistungen verfügen könnten. Sie seien sich jedoch häufig nicht bewusst, welche Verantwortlichkeiten und organisatorischen Aufgaben damit verbunden sind. Die Praxis zeige, dass das PB nicht immer so flexibel und einfach handhabbar ist, wie Betroffene es erwarten. Konkret wurden als Herausforderungen die Umsatzbesteuerung und die hohen Kosten eines PB identifiziert, insbesondere bei hohem Pflegebedarf (zum Beispiel 24-Stunden-Betreuung mit Kosten von bis zu 15.000 € pro Monat). Während Träger durch Verhandlungen mit Leistungserbringern günstigere Preise erzielen können, seien Leistungen wie Schulbegleitungen im Rahmen eines PB für Einzelpersonen oft teurer.

Die Eignung des PB wurde ebenfalls besprochen. Es wurde als sinnvoll für Personen mit hohem Pflegebedarf (zum Beispiel 24-Stunden-Betreuung) erachtet, die nicht in ein Heim gehen möchten. Gleichzeitig wurde diskutiert, in welchen Fällen das PB weniger geeignet ist und wie die Inanspruchnahme erleichtert werden könnte.

Lösungsansätze:

  • Beratung und Aufklärung: Intensivere Beratung über Rechte und Pflichten sowie die Anforderungen der Eigenorganisation im Zusammenhang mit dem PB
  • Regionale Gegebenheiten berücksichtigen: Das PB sollte individuell angepasst werden, insbesondere unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede, damit die benötigten Leistungen verfügbar sind
  • Befragung der EUTBs: Eine Befragung der EUTBs könnte spezifische Schwierigkeiten, wie etwa die Anpassung von Verträgen für Schulbegleitungen, identifizieren und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen
  • Erweiterung des §116 SGB IX: Die pauschale Geldleistung könnte ausgeweitet werden, um die Handhabung des PB zu erleichtern
  • Evaluation: Eine Analyse der Regionen mit hohen PB-Zahlen könnte Informationen darüber geben, wie es zu einem Antrag auf ein PB kommt, welche Arten von PB vergeben werden und wie zufrieden die Leistungsberechtigten damit sind

Wissenslücken und Schulung der Mitarbeitenden

Wissenslücken bei Mitarbeitenden der Träger wurden als ein Faktor für Verzögerungen und unklare Entscheidungen identifiziert. Die Notwendigkeit von Schulungen und besserem Informationsaustausch wurde hervorgehoben.

Lösungsansätze:

  • Schulungen für Mitarbeitende
  • Aufbau eines trägerübergreifenden Ansprechpersonen-Systems zur schnellen Klärung von Fragen
  • Schaffung regionaler Netzwerke zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Trägern

Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen

Symposium Teilhabeverfahrensbericht

Am 13. und 14. November 2024
im Harnack-Haus in Berlin-Dahlem

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