Eröffnet wurde das Symposium von Dr. Susanne Wagenmann (alternierende Vorsitzende des Vorstandes der BAR). Gleich zu Beginn merkte sie an, dass das große Interesse am Symposium widerspiegele, wie wichtig die Themen Teilhabe und Transparenz im Reha-Prozess sind. Der Teilhabeverfahrensbericht (THVB) gebe Einblicke darin, wie Rehabilitation und Teilhabe gelebt werden kann und wie leistungsfähig unser System diesbezüglich ist. Mit dem nunmehr sechsten Bericht gelinge es laut Frau Dr. Wagenmann erneut, das gegliederte Reha-System mit über 1.200 Reha-Trägern anhand objektiver und vergleichbarer Daten zu Verfahrensabläufen zu beleuchten. Über die vorliegenden Daten im THVB sei eine gemeinsame Sprache gefunden worden, auch wenn dies zunächst „nur“ die Sprache der Daten sei. Die Ergebnisse könnten nun als Basis für fachlich fundierte Diskussionen dienen – auch für unterschiedliche Aufgabenfelder und Vorhaben der BAR. Als Beispiel nannte Frau Dr. Wagenmann hier das Projekt des Gemeinsamen Grundantrags.
In seinem Grußwort lobte Dr. Rolf Schmachtenberg (Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales) den THVB und die Arbeit, die dahintersteckt. Mit Blick auf das jährliche Erscheinen des Berichts sagte er: „Für mich ist es immer ein Vergnügen, wenn die 200 Seiten kommen.“ Er betonte, wie wichtig die Beauftragung der BAR mit der Umsetzung des § 41 SGB IX im Rahmen der Einführung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) gewesen sei. Ob Zusammenarbeit der Reha-Träger, Leistungen wie aus einer Hand oder Personenzentrierung: Mit dem THVB habe sich mittlerweile ein Instrument konsolidiert, mit dem man die Umsetzung der Regelungen des BTHG anhand von Kennzahlen beobachten kann.
Und so wies Dr. Schmachtenberg auch auf die geringe Anzahl an trägerübergreifenden Teilhabeplanungen hin. Mit diesem Merkmal lässt sich die gesetzlich vorgeschriebene Zusammenarbeit der Träger – eines der zentralen Anliegen des SGB IX – aufzeigen. Es wird deutlich, dass Teilhabeplanverfahren nur selten in der Praxis durchgeführt werden.
Um die Gründe dafür zu erfahren, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine qualitative Befragung durchführen lassen. Die kürzlich veröffentlichte Studie „Teilhabe gemeinsam planen“ (BMAS, Forschungsbericht 645) zeigt u. a. auf, dass Mitarbeitende bei Reha-Trägern komplexe Bedarfe nicht immer erkennen, weil der Fokus in der Bedarfsermittlung nur auf dem eigenen Leistungskatalog liegt. Komplex sei auch die Teilhabeplanung in ihrer Anwendung selbst – für Mitarbeitende bei Reha-Trägern und für Leistungsberechtigte. Es müsse über mögliche Lösungen nachgedacht werden, um dieser Situation entgegenzuwirken und die Verfahren zu vereinfachen. Lösungsansätze könnten laut Dr. Schmachtenberg sein, über die Grenzen der eigenen Systemlogiken der Trägerbereiche hinauszuschauen oder auch Teilhabeplanungen modular bzw. stufenweise zu gestalten. Die mittels der Kennzahlen im THVB geschaffene Transparenz zu Verfahrensabläufen im Reha-Prozess ermögliche es, neue Projekte und Entwicklungen anzustoßen.
Der Gemeinsame Grundantrag sei ein wichtiges Projekt der BAR, um etwa die Personenzentrierung beim Reha-Antrag weiter voranzubringen. Dr. Schmachtenberg führte weiter aus, dass auch die Länder zunehmend mit den Kennzahlen aus dem THVB arbeiten.
Der THVB schaffe Transparenz im Reha-System und gebe den Trägern die Möglichkeit, auf die Kennzahlen aus dem Bericht zu reagieren, sagte Jürgen Dusel (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen). Aus den Kennzahlen könnten Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die dazu beitragen, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonventionen umzusetzen. Mit dem THVB gebe es belastbare Daten und es werde sichtbar, wo die Umsetzung des BTHG gut funktioniert und an welchen Stellen noch Änderungsbedarf besteht. So laufe die gemeinsame Teilhabeplanung noch nicht so ab, wie es im Gesetz vorgesehen ist. Auch zeige der THVB, dass bisher nur wenige Persönliche Budgets vergeben werden. Den Menschen mit Behinderungen werde ein „Irrgarten an Zuständigkeiten“ zugemutet, in dem nicht einmal die "Profis" der Verwaltung durchblicken. In der Verantwortung, Vorgaben gesetzeskonform umzusetzen, stünden zum einen die Mitarbeitenden vor Ort, aber nicht zuletzt das BMAS in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde. Bei aller berechtigter Kritik am BTHG sei seine Einführung laut Herrn Dusel ein richtiger Schritt gewesen, denn dieses Gesetz stelle einen Paradigmenwechsel hin zu einer stärkeren Personenzentrierung dar.
Nach der Eröffnung und Begrüßung bildete ein gemeinsames Podiumsgespräch, moderiert von Ninia LaGrande, den Auftakt zum Symposium. Dr. Rolf Schmachtenberg (Bundesministerium für Arbeit und Soziales), Jürgen Dusel (Behindertenbeauftragter der Bundesregierung), Brigitte Gross (Deutsche Rentenversicherung Bund), Markus Hofmann (alternierender Vorsitzender des Vorstandes der BAR) und Carsten Mertins (Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe, BAGüS) blickten gemeinsam auf den Umsetzungsstand des BTHG und den THVB als Evaluationsinstrument.
Bei aller Vielfalt an Perspektiven unter den Podiumsgästen gab es auch Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Einschätzung des Umsetzungsstandes des BTHG. Einigkeit bestand darüber, dass die Einführung des BTHG mit dem einhergehenden Paradigmenwechsel viel Gutes bewirkt hat. Jedoch müsse die flächendeckende Umsetzung der gesetzlichen Regelungen weiter vorangetrieben und Komplexität reduziert werden. Einig war man sich auch, dass anhand der Ergebnisse des THVB konkret aufgezeigt werden kann, an welchen Stellen die Umsetzung des Gesetzes (noch) nicht erfolgt. Wiederholt wurde diesbezüglich die trägerübergreifende Zusammenarbeit exemplarisch genannt. Die im THVB berichtete Anzahl an entsprechenden Teilhabeplanungen ist sehr gering. Dabei handelt es sich um einen Kernaspekt im Reha-Prozess, den alle Beteiligten für unumgänglich erachten. Mit Blick nach vorn wurde festgestellt, dass die Zahlen im THVB künftig stärker qualitativ eingeordnet werden sollten. Forschungsarbeiten wie die kürzlich vom BMAS veröffentlichte Expertise „Teilhabe gemeinsam planen“ (BMAS, Forschungsbericht 645) könnten ein Ansatz sein, um die Ergebnisse im THVB zu erklären.
Mit ihrem Vortrag skizzierte Gülcan Miyanyedi (Geschäftsführerin der BAR) die Entwicklung der Statistik seit Veröffentlichung des ersten THVB in 2019. Sie warf dabei u. a. die Frage nach angemessenen Zielgrößen für die Kennzahlen auf. Für welche Leistungen sind welche Bearbeitungsdauern angemessen? Wie viele Anträge auf persönliches Budget sollte es geben und wie viele davon sollten bewilligt werden? Die Daten im THVB seien wertvoll, weil sie helfen, die richtigen Fragen zu stellen und gezielt zu handeln. Frau Miyanyedi sprach auch das bestehende Misstrauen gegenüber Verwaltungen an. Hier schaffe der THVB Möglichkeiten, vertrauensvoll miteinander ins Gespräch zu gehen.
Nach der Phase im Plenum ging es am Nachmittag des ersten Veranstaltungstages weiter in fünf Arbeitsgruppen, in denen entlang unterschiedlicher Themen ganz praktisch mit dem THVB gearbeitet werden konnte. Der Austausch war intensiv und setzte sich später beim Get-together fort.
Den zweiten Veranstaltungstag begann Janina Bessenich (Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e. V.) mit einem Impulsvortrag zum THVB. Sie stellte dabei ausgewählte Zahlen aus dem THVB mit Fokus auf die steuerfinanzierten Trägerbereiche, insbesondere die Kinder- und Jugendhilfe, vor. Frau Bessenich erläuterte ihre Erkenntnisse beispielsweise zur trägerübergreifenden Teilhabeplanung oder zu den Bearbeitungsdauern. Die Inhalte der Keynote können Sie >> in diesem Artikel ausführlich nachlesen.
Auch am zweiten Tag war es möglich, sich in einer der fünf Arbeitsgruppen in kleinerer Runde mit den Kennzahlen im THVB zu befassen und auszutauschen. Nach dem Mittagessen wurden die Ergebnisse der Diskussionen aus den Kleingruppen im Plenum vorgestellt. Hier finden Sie die >> Berichte mit Inhalten und Ergebnissen der Arbeitsgruppen.
Markus Hofmann, alternierender Vorsitzender des Vorstandes der BAR, verabschiedete die Gäste. Mit dem THVB sei ein Instrument geschaffen worden, das es ermöglicht, genauer in praktische Verfahrensabläufe hineinzuschauen und Prozesse mit Kennzahlen zu hinterlegen. Das sei wichtig, um die Prozesse im Reha-System zu steuern, aufeinander abzustimmen und die Zusammenarbeit der Träger zu verbessern. Mit Blick auf die im Plenum vorgestellten Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen führte Herr Hofmann u. a. die länderspezifischen Auswertungen der Kennzahlen aus dem THVB an. Diese würden den besonderen Gegebenheiten der einzelnen Bundesländer Rechnung tragen und verhindern, dass Äpfel mit Birnen verglichen werden. Die Kennzahlen aus dem THVB seien eine Grundlage, mit der konkrete Maßnahmen gestaltet und deren Wirkungen sichtbar gemacht werden können. Mit den Ergebnissen und Anregungen aus dem Symposium können Handlungsbedarfe erarbeitet werden, um eine personenzentrierte Reha zu etablieren, die ganzheitlich die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt.
Während des zweitägigen Symposiums wurde nicht nur engagiert und aus verschiedenen Blickwinkeln über eine Statistik gesprochen. Vielmehr ging es um eine gemeinsame Befassung mit dem Reha-Prozess und seiner künftigen Ausgestaltung, um allen Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe zu ermöglichen. Die Daten aus dem THVB sollen einem breiten Fachpublikum zugänglich sein, sodass das Arbeiten mit den Kennzahlen verschiedenen Akteuren im Reha- und Teilhabebereich möglich ist. Der THVB kann künftig noch stärker als Steuerungsinstrument genutzt werden, um Probleme zu identifizieren und Handlungsbedarfe zu bestimmen.
Wir bedanken uns bei allen Mitwirkenden und Teilnehmenden am Symposium Teilhabeverfahrensbericht!
Rahmenprogramm
Symposium Teilhabeverfahrensbericht
Am 13. und 14. November 2024
im Harnack-Haus in Berlin-Dahlem
- BAR e.V.Neue Reha-Info 1/2025: Schwerpunkt Zahlen, Daten, FaktenIm Heft: Trägerübergreifende Ausgabenstatistik der BAR; THVB 2024: Von der Statistik zur Praxis
- BAR e.V.THVB-Fachtagung: Dokumentation zum Symposium Teilhabeverfahrensbericht veröffentlicht10 zentrale Handlungsempfehlungen - Bericht zum Rahmenprogramm - Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen
- BAR e.V.Symposium Teilhabeverfahrensbericht am 13. und 14. November in Berlin-DahlemBAR-Fachtagung zu den Erkenntnissen aus dem THVB – Anmeldungen bis 24. Oktober möglich!
- BAR e.V.Teilhabeverfahrensbericht: Meldezeitraum letztmalig bis 17. Mai 2024 verlängertÜbermittlung von Meldedatensätzen der Reha-Träger für das Berichtsjahr 2023
- BAR e.V.Teilhabeverfahrensbericht: Datenübermittlung ab sofort möglichReha-Träger können die Daten für das Berichtsjahr 2023 bis zum 30. April 2024 an die BAR übermitteln
- NewsTeilhabeverfahrensbericht 2023 veröffentlichtReha-System in Deutschland: Mehr Anträge auf Rehabilitation und Teilhabe & längere Bearbeitungszeit
- BAR e.V.1. Regionaler Fachtag des Sozialministeriums Baden-Württemberg zu den Ergebnissen des THVBIm Fokus: Kennzahlen der Eingliederungshilfe, erfasst im Teilhabeverfahrensbericht der BAR
- NewsTeilhabeverfahrensbericht: Meldezeitraum letztmalig bis 15. Mai 2023 verlängertÜbermittlung von Meldedatensätzen der Reha-Träger für das Berichtsjahr 2022
- NewsTeilhabeverfahrensbericht: Datenmeldung ab sofort möglichÜbermittlung von Meldedatensätzen für das Berichtsjahr 2022 bis zum 30. April möglich
- PublikationenTeilhabeverfahrensbericht 2022 veröffentlichtEntwicklungen in Reha und Teilhabe: 1.079 Reha-Träger übermittelten Daten zu Verfahrensabläufen
- NewsMeldezeitraum letztmalig bis 20. Mai verlängertTeilhabeverfahrensbericht: Übermittlung der Daten für das Berichtsjahr 2021
- NewsMeldezeitraum für den Teilhabeverfahrensbericht startet am 1. AprilÜbermittlung von Meldedatensätzen für das Berichtsjahr 2021 bis zum 30. April möglich
- NewsTeilhabeverfahrensbericht: Datenübermittlung bis 14. MaiFrist zur Übermittlung des Meldedatensatzes wurde letztmalig verlängert
- NewsTHVB: Übermittlung des Meldedatensatzes ab 1. MärzBis 30. April können Meldedatensätze für den Teilhabeverfahrensbericht übermittelt werden.
- Publikationen2. Teilhabeverfahrensbericht veröffentlichtDen Blick ins Reha-Geschehen erweitern: zweiter Teilhabeverfahrensbericht veröffentlicht
- NewsNeufassung der Beschreibung für die Primär- und Meldevariablen für den THVBDie BAR hat die Neufassung am 01. September 2020 veröffentlicht.
- NewsSchulungsinhalte zum THVB-Online-Seminar verfügbarIm geschützten Service-Bereich sind nun Schulungsangebote zum Teilhabeverfahrensbericht abrufbar.
- BAR e.V.Teilhabeverfahrensbericht: Datenübermittlung bis 31. MaiDie Frist zur Übermittlung des Meldedatensatzes wurde letztmalig bis zum 31. Mai 2020 verlängert.
- NewsTHVB als barrierearme VersionDer erste Teilhabeverfahrensbericht ist nun auch als barrierearme pdf-Version erhältlich.
- Publikationen