BAR-Symposium "Wieviel REHArmonie verträgt das System?"
Verabschiedung von Prof. Dr. Helga Seel
Aus den unterschiedlichsten und durchaus überraschenden Blickwinkeln wurde das Reha-System in Deutschland auf dem BAR-Symposium "Wieviel REHArmonie verträgt das System?" unter die Lupe genommen. Anlass war die Verabschiedung von Prof. Dr. Helga Seel, die von August 2012 bis Juni 2023 Geschäftsführerin der BAR gewesen ist.
Der Vorstandsvorsitzende der BAR Markus Hofmann begrüßte die geladenen Gäste aus Verbänden, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Bernd Giraud, Fachbereichsleiter Programme und Produkte und Vertreter der Geschäftsführerin der BAR, moderierte durch das Programm und kündigte den ersten Fachbeitrag von Dr. Rolf Schmachtenberg, Staatsekretär im BMAS, an. Dieser hielt unter anderem in seiner Videobotschaft "Die BAR hält Kurs: Koordinierte Zusammenarbeit ist der Schlüssel zur Teilhabe im gegliederten Reha-System" fest: "Bei so einem großen Gesetzesvorhaben [wie dem BTHG] müssen nicht nur Paragrafen, sondern auch lange angewandte Strukturen geändert, überprüft, verändert werden. Das kann nur mit allen Beteilitgten, mit allen Trägern und vor allem mit dem engagierten Personal vor Ort gelingen. Ein Gesetzesreform ist daher nur der Ausgangspunkt. Auf die Umsetzung kommt es an."
Prof. Dr. Laurenz Mülheims, Professor für Soziarecht an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg erläuterte in seinem Vortrag das "Glück des Scheiterns" und schlug dabei den Bogen von Albert Camus über Sisyphos bis zur Inklusion. "Die Botschaft von Camus lässt sich mit drei Wörtern umschreiben. Auflehnung, Freiheit, Leidenschaft (…) Inklusion ist kein System, keine Gesellschaftsoptimierung, kein mit Kennzahlen versehenes Zielmodell. Inklusion ist eine Haltung; Inklusion wohnt hier drin - im Herzen. Inklusion ist die Auflehnung, die Revolte gegen jegliche Art von absurder Ausgrenzung. Inklusion ist das Lächeln in Richtung des Mitmenschen."
In ihrem Vortrag "Neue Wege für die Inklusion in das Arbeitsleben" ließ Annetraud Grote, Inklusionsbeauftragte des Paul Ehrlich Instituts, auch persönliche Erfahrungen mit einfließen. Ihren Lebens- und Berufsweg hätten auch mutige Menschen mitgeebnet. Für kommende Generationen wünscht sie sich, dass Menschen mit Beeinträchtigung "nicht mehr sagen, mein Lebenslauf war geprägt von mutigen Menschen mit mutigen Entscheidungen, die mich unterstützt haben, sondern dass sie Strukturen vorfinden, die sie befähigen, selbstverständlich ohne begrenzende Barrieren in ihnen zu studieren und zu arbeiten."
Jürgen Hohnl, Geschäftsführer IKK e.V., zeigte in seinem Vortrag "Die BAR – ein vielstimmiger Chor!" auf: "Auch an ausgetragenen Konflikten wächst ein Klangkörper und auch in den bedeutenden Werken der Musikgeschichte muss der Weg zur abschließenden Harmonie, zum großen C-Dur Finale erst einmal gefunden werden. Aus den zurückliegenden Jahren sind mir intensive Diskussion zum Beispiel zur Umsetzung der UN-BRK in Erinnerung geblieben (...) Aktuell ist sicherlich der Gemeinsame Grundantrag das Projekt, das alle Reha-Träger gleichsam fordert."
In seiner Rede "Das Schöne am (Sozial-)Recht: Erfahrungen aus der Hochschulpraxis" beobachtete Prof. Dr. Felix Welti, Professor für Sozial- und Gesundheitsrecht an der Universität Kassel: "Insofern interpretieren die Rehabilitationsträger das SGB IX auf ihren Instrumenten, und die BAR und ihre Geschäftsführung hat die Rolle der Dirigentin, die Harmonie ins gegliederte System bringen soll. Aber Achtung: Harmonie oder, wie das Gesetz sie nennt, die trägerübergreifende Zusammenarbeit zur einheitlichen personenzentrierten Gestaltung der Rehabilitation, klingt nicht jedem gleich."
Jürgen Dusel, Bundesbeauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen, bekräftigt in seinem Videogrußwort, dass Inklusion und Rehabilitation zwei Seiten einer Medaille sind und zusammengehören: "Genauso wie ich glaube, dass Demokratie und Inklusion zwei Seiten derselben Medaille sind, genauso bin ich auch davon überzeugt, dass eine gute, qualitativ hochwertige, großartige Rehabilitation auf hohem Niveau oftmals wirklich die Voraussetzung für gelingende Inklusion ist."
Prof. Dr. Helga Seel stellte in ihrem Vortrag die "Freude an der Zusammenarbeit und den Mut, Grenzen zu überwinden" in den Mittelpunkt: "Wenn die Expertinnen und Experten Freiräume bekommen, wenn sie dafür „die Luft zum Atmen“ bekommen, wenn sich die Praktiker vor Ort ausgestattet mit breitem, übergreifenden Wissen, zielsicher und motiviert im System bewegen - dann werden wir in Anwendung der Vorschriften und der dafür notwendigen Zusammenarbeit einiges verbessern können."
Der Vorsitzende der BAR-Mitgliederversammlung Dr. Stefan Hoehl, machte in seiner Rede deutlich, dass "in der Rehabilitation durch Digitalisierung der Datenaustausch sichergestellt und im Wortsinne Anschlussfähigkeit hergestellt werden muss". Außerdem hob er die Bedeutung des Teilhabeverfahrensberichts hervor, den er als "Meilenstein auf dem Weg zu mehr Transparenz" bezeichnete. Anschließend an seinen Vortrag verabschiedete er Prof. Dr. Helga Seel feierlich und bedankte sich im Namen der Mitgliederversammlung der BAR und im Namen der BDA für die gute Zusammenarbeit.
In dem letzten Redebeitrag des BAR-Symposium lenkte Gülcan Miyanyedi, neue Geschäftsführerin der BAR seit Juli 2023, den Blick darauf, dass in Zeiten mit der Schnelligkeit von Amazon und der Einfachheit von paypal Menschen mit Beeinträchtigungen die Möglichkeit haben sollten, Rehabilitations- und Teilhabeleistungen intuitiv und mühelos beantragen zu können. Bei einem Get together tauschten sich alle Beteiligten des BAR-Symposiums zum Abschluss noch rege untereinander aus.
Fotos: Diana Arnold, Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR)