Genehmigungsfiktion bei nicht fristgerechter Entscheidung über den Antrag

Ausgewählte Kernaussagen des Bundessozialgerichts*

Seit 2013 ist im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung eine Genehmigungsfiktion bei nicht fristgerechter Leistungsentscheidung vorgesehen (§ 13 Abs 3a SGB V). Diese Genehmigungsfiktion erfasst ausdrücklich nicht Leistungen zur Teilhabe (§ 13 Abs 3a S 9 SGB V). Ab 1.1.2018 ist die Möglichkeit einer Genehmigungsfiktion nun auch im Bereich der Leistungen zur Teilhabegesetzlich verankert (§ 18 Abs 3 SGB IX, beachte jedoch auch Abs 7). Die vergleichsweise neue Rechtsfigur wirft eine Reihe sozialverwaltungsrechtlicher Fragen auf. Ein Blick in die höchstrichterliche Rechtsprechung zur bisherigen Regelung des § 13 Abs 3a SGB V bietet eine mögliche Basis für erste Einschätzungen zu diesen Fragen im Rehabilitationsrecht. Nachfolgend sind ausgewählte, redaktionell abgewandelte Kernaussagen einschlägiger BSG-Entscheidungen zusammengestellt:

  1. Die Genehmigungsfiktion tritt nur ein, wenn die beantragte Leistung nicht offensichtlich außerhalb   des gesetzlichen Leistungskatalogs liegt.
  2. Der Versicherte kann die kraft Fiktion genehmigte Leistung entweder als Naturalleistung oder bei Selbstbeschaffung in Form von Kostenerstattung verlangen.
  3. Eine fingierte Leistungsgenehmigung kann nur zurückgenommen, widerrufen oder aufgehoben  werden, wenn die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion von Anfang an nicht vorlagen oder später entfallen sind.
    BSG, Urt. v. 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R


Die Genehmigungsfiktion tritt bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch dann ein, wenn eine Leistung begehrt wird, die nicht objektiv medizinisch notwendig ist, sofern der Versicherte subjektiv von der Erforderlichkeit der Leistung ausgehen durfte, weil die Leistung nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs liegt.
BSG, Urt. v. 11.05.2017 – B 3 KR 30/15 R – und – B 3 KR 17/16 R

  1. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten – die 3-Wochen-Frist des § 13 Abs 3a S 1 SGB V überschreitenden – Frist heraus, dass diese Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann eine Genehmigungsfiktion dadurch vermieden werden, dass dem Antragsteller vor Fristablauf die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut – ggf. wiederholt – mitgeteilt werden.
  2.  Ist die Genehmigung einer beantragten Leistung kraft Fiktion erfolgt, steht dies der Bewilligung der beantragten Leistung durch einen Leistungsbescheid gleich. Die Genehmigungsfiktion bewirkt ohne Bekanntgabe (§§ 37, 39 Abs 1 SGB X) einen in jeder Hinsicht voll wirksamen (bestandskräftigen) Verwaltungsakt iSv § 31 S 1 SGB X und hat rechtlich zur Folge, dass dem Versicherten unmittelbar ein Anspruch auf Versorgung mit der Leistung zusteht. Unwirksam werden kann eine fingierte Genehmigung somit auch nur nach den geltenden allgemeinen Grundsätzen über Erledigung, Widerruf und Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes.
    BSG, Urt. v. 11.07.2017 – B 1 KR 26/16 R –

    und Urt. v. 11.07.2017 – B 1 KR 1/17 R


Die Rücknahme einer begünstigen Entscheidung ist nur zulässig, soweit sie rechtswidrig war. Da eine fiktive Genehmigung jedoch kraft Gesetzes entsteht, ist sie daher regelmäßig nicht rechtswidrig, es sei denn, diese gründet auf rechtsmissbräuchlichem Handeln des Antragstellers.
BSG, Urt. v. 07.11.2017 – B 1 KR 15/17 R –
und Urt. v. 07.11.2017 – B 1 KR 24/17 R


*Leitsätze des Gerichts, Orientierungssätze und Aussagen aus Entscheidungsgründen nach JURIS, redaktionell abgewandelt