20 Jahre SGB IX
Digitale Fachveranstaltung der BAR
„20 Jahre SGB IX. Ein langer Weg für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ – dieses Thema beschäftigte am 15. Juni Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammen mit rund 200 Teilnehmenden.
Markus Hofmann, Vorstandsvorsitzender der BAR und Abteilungsleiter DGB betonte zu Beginn, wie wichtig Zahlen und Transparenz in Rehabilitation und Teilhabe sind und dass dadurch mehr Zusammenarbeit erreicht werden kann. Bundesminister Hubertus Heil hob in seiner Grußbotschaft hervor, dass einer der Meilensteine des SGB IX darin bestand, dass es mit der Leitlinie „Leistungen wie aus einer Hand“ die Verhältnisse neu definiert hat: zum einen zwischen den Verwaltungen untereinander, zum anderen aber auch zwischen den Verwaltungen und den Bürgerinnen und Bürgern.
Prof. Dr. Marc von Miquel, Geschäftsführer der Dokumentations- und Forschungsstelle der Sozialversicherungsträger, skizzierte die Historie des SGB IX und unterstrich dabei, dass Sozialpolitik ohne zivilgesellschaftliche Aufbrüche wie die Behindertenbewegung nicht denkbar ist. Anschließend ging es um das SGB IX in der Rechtsprechung: Prof. Dr. Steffen Luik, Richter am BSG in Kassel, zeigte sich überzeugt, dass das SGB IX die Umsetzung des Benachteiligungsverbots leisten kann, sieht allerdings noch großen Spielraum zum Beispiel bei der Teilhabeplanung.
Prof. Dr. Felix Welti, Professor für Sozial- und Gesundheitsrecht an der Universität Kassel, stellte die Erfolge, Probleme und Herausforderungen der Sozialen Selbstverwaltung dar. In der anschließenden Diskussionsrunde (siehe Foto) mit Prof. Dr. Welti, Brigitte Gross (Direktorin der DRV Bund) und Dr. Susanne Wagenmann (alternierende Vorstandsvorsitzende der BAR und Abteilungsleiterin BDA) sowie in einem Videobeitrag von Jürgen Hohnl (Geschäftsführer IKK e. V.) wurde deutlich, dass die Selbstverwaltung auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen muss und auch die Digitalisierung neue Chancen bieten kann. Prof. Dr. Edwin Toepler, Professor für Management der Rehabilitation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, zeigte in seinem Beitrag „Qualitätsziel Teilhabe – Härtetest für das SGB IX?“, wie wichtig es ist, individuelle Teilhabeziele zu setzen und vor allem der Frage nachzugehen, ob diese erreicht wurden.
Aus dem Atelier der BAR stellte Bernd Giraud, Fachbereichsleiter Programme und Produkte, Online-Tools für die Reha-Praxis und das Digital-Projekt „Gemeinsamer Grundantrag für Reha- und Teilhabeleistungen“ vor. Dr. Stefan Schüring, Fachbereichsleiter Teilhabeverfahrensbericht, Systembeobachtung und Forschung, stellte mit der BAR-Ausgabenstatistik und mit dem Teilhabeverfahrensbericht wichtige Steuerungsinstrumente für Rehabilitation und Teilhabe vor und warb für deren Nutzung.
Prof. Dr. Helga Seel, Geschäftsführerin der BAR, zeigte auf, wie sich der angestrebte Bewusstseinswandel in der Sprache des SGB IX niederschlägt und wie zentral die Kommunikation, „das Miteinander reden“, für die Ziele des SGB IX ist. Als Voraussetzungen hob sie die Aspekte Informiertheit, Verstehen, Verständnis und Verständigung hervor. Dafür müsse sich die Sprache am Adressatenkreis ausrichten, nicht umgekehrt. Im Bereich von Teilhabe und Rehabilitation zählen dazu nicht nur eine verständliche Sprache, sondern auch Barrierefreiheit. Ihr Fazit: „Funktionierende Kommunikation ist Voraussetzung für eine teilhabeorientierte Rehabilitation“.
Während der Fachveranstaltung kamen immer wieder Menschen mit Behinderungen zu Wort. Britta Meinecke-Allekotte, eine OP-Schwester, die bei einem Arbeitsunfall einen Arm verlor und sich wieder in ihren Beruf zurückkämpfte, brachte ihre Auffassung von Teilhabe auf den Punkt: „Das Leben wieder in Eigenregie führen zu können“. Sarah Meß, Teilhabeberaterin ZSL Nord, unterstrich, wie wichtig es ist, nicht über die Köpfe von Menschen mit Behinderungen hinweg deren Anliegen zu besprechen. Michael Feller, Peer-Berater bei der EUTB, stellte klar: „Nur wenn wir gleichberechtigt miteinander kommunizieren, kann Selbstbestimmung und Partizipation in allen Bereichen erreicht werden." Annetraud Grote, Inklusionsbeauftragte des Paul Ehrlich Instituts, hatte zwei wichtige Botschaften: „Inklusion beginnt in den Köpfen“ und „Inklusion braucht Kooperation“.
Jürgen Dusel, Bundesbeauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen, machte in seinem Schlusswort vor allem auf die Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderungen aufmerksam: Das Problem sei, „dass ein Viertel aller Unternehmen in Deutschland keinen einzigen Menschen mit Behinderungen beschäftigen – das sind mehr als 40.000 Betriebe.“
Eine Dokumentation der Tagung wird demnächst veröffentlicht auf www.20-jahre-sgb-ix.de |