Editorial Reha-Info 06/2023
Liebe Leserin und lieber Leser,
halten Sie das Sozialgesetzbuch manchmal für ein Buch mit sieben Siegeln? Selbst ich als Juristin kann Ihnen das nicht verdenken. Lassen Sie uns in dieser Ausgabe einen genauen Blick auf die Spielregeln im Bereich der Rehabilitation und Teilhabe werfen – besser bekannt als SGB IX. Sind diese Regelungen so knifflig geworden, dass sie in der Praxis nicht mehr richtig funktionieren, oder hapert es einfach bei der Umsetzung vor Ort? Viele reden vom komplexen Rehabilitationssystem – können wir hier überhaupt noch durch Gesetze effektiv steuern? Expertinnen und Experten sind sich einig: Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) setzt gute Impulse für die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Aber wie viel davon landet wirklich in der Praxis?
Unser Sozialleistungssystem wird oft gelobt, und im internationalen Vergleich stehen wir gut da. Aber die Diskussionen in der Welt von Reha und Teilhabe zeigen, dass da doch noch eine Lücke klafft zwischen den großen Zielen auf dem Papier und dem, was wirklich passiert. Damit haben wir uns auch bei unserem Fachgespräch „Teilhabe: Recht trifft Praxis“ auseinandergesetzt (S. 4). Dabei wurde klar, alle wollen dasselbe: bessere Rehabilitation und mehr Teilhabe. Aber wie setzen wir das Recht, das auf dem Papier steht, in die Tat um? Von den Betroffenen hören wir, dass es ein harter und langer Kampf ist. Und die Fachkräfte bei den Reha-Trägern sehen sich manchmal mit Gesetzesregelungen konfrontiert, von denen sie nicht wissen, wie sie sie umsetzen sollen. Das kann schlauchen und hier braucht es Zeit und Ausdauer (mehr dazu auf S. 6).
Klar ist auch: Jeder Reha-Träger weiß viel über seinen eigenen Bereich. Aber wie bekommen wir dieses Wissen zu den anderen Trägern? Um zu verstehen, wie die anderen arbeiten, müssen wir uns gegenseitig besser kennenlernen. Denn nur, wer trägerübergreifend denkt und handelt, kann Teilhabe umfassend umsetzen. Hier kommen Netzwerke, trägerübergreifende Aus- und Weiterbildungen und Informationsaustausch ins Spiel. Und schließlich wird klar, dass wir nicht nur über Gesetze sprechen, sondern auch eine grundlegende Einstellungsfrage klären müssen: weg von einer „Sozialhilfe“-Mentalität hin zur echten Förderung von Teilhabe.
Herzliche Grüße und alles Gute für Sie
Ihre Gülcan Miyanyedi