Reha-Info 02/2014 - Editorial
Es erscheint zunehmend als Spagat: die steigende Zahl chronisch kranker Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der einen Seite, der Erhalt von Beschäftigungsfähigkeit als gesellschaftspolitische Notwendigkeit auf der anderen Seite.
Mobilität, Zeitdruck, die schleichende Verschmelzung von Arbeit und Freizeit, das sind Merkmale einer von wachsender Komplexität geprägten modernen Arbeitswelt. Nach Schätzungen leidet mittlerweile ein Drittel der Erwerbstätigen in Deutschland an einer chronischen Erkrankung. Waren vor wenigen Jahrzehnten insbesondere physische Belastungen Ursache von Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsausstieg, gewinnen nunmehr auch psychische Belastungen im Krankheitsgeschehen und damit in der betrieblichen Auseinandersetzung sowie im gesellschaftlichen Diskurs insgesamt an Bedeutung.
Es kommt hinzu, dass sich die Erwerbsgesellschaft der Zukunft radikal verändern wird. Bis 2030 wird die Anzahl der erwerbsfähigen 20-64-jährigen um 6 Millionen sinken, während die Zahl der rentenfähigen über 60-jährigen um mehr als 5 Millionen zunehmen wird. So ist die Frage nach Beschäftigungsfähigkeit zugleich eine Frage für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Denn besonders in der Altersgruppe der 50 bis 65-Jährigen steigen die Indikationen für chronische Erkrankungen signifikant.
Volkswirtschaftlich aber auch sozialpolitisch ist es daher unabdingbar mit geeigneten Strategien die Beschäftigungsfähigkeit und Arbeitsfähigkeit Beschäftigter zu erhalten oder Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen wieder ins Arbeitsleben und in die Gesellschaft zu integrieren. Denn die Kosten des durch Arbeitsunfähigkeit bedingten Produktionsausfalls werden für Deutschland jährlich auf 46 Milliarden Euro geschätzt. Hierzu sind politische, betriebliche, technische und administrative Strategien erforderlich, die auf die spezifischen Fähigkeiten, Kompetenzen und gesundheitlichen Situationen nicht nur älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abzielen: zielgerichtete betriebliche Prävention, erfolgreiche Kuration, effektive Rehabilitation und gelingende (Wieder-)Eingliederung, dies alles sind Teile eines Ganzen.
Ich grüße Sie herzlich
Ihre Helga Seel
Geschäftsführerin der BAR