BTHG und soziale Teilhabe – ein neues Projekt der Unfallversicherung
Soziale Teilhabe hat vielfältige Dimensionen – Familie, Wohnen, Mobilität, Sexualität und Freizeit, aber auch politisches und gesellschaftliches Leben. Die DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V.) hat in diesem Herbst mit einem neuen Projekt zur Fortentwicklung dieses Teilhabebereichs in ihrer Handlungspraxis begonnen.
„Soziale Teilhabe – leider ist dies ein Teilhabebereich, der in der Praxis noch viel zu oft aus dem Fokus gerät“, erklärt Dirk Scholtysik von der DGUV. Auch darum haben wir uns mit Blick auf die Novellierung des Sozialgesetzbuches (SGB) IX entschlossen, die „Soziale Teilhabe“ innerhalb eines neuen Projekts aufzugreifen. Das Projekt verfolgt zwei Ansätze: Zum einen geht es um die Umsetzung der neuen Regelungen des SGB IXs und deren Zusammenspiel mit § 39 SGB VII. Zum anderen will die DGUV den Bereich der sozialen Teilhabe innerhalb des Reha-Managements durch einen Handlungsleitfaden stärker verankern. Dazu sollen etablierte Ansätze von Unfallkassen und Berufsgenossenschaften analysiert und diskutiert werden und zur Entwicklung gemeinsamer Standards im Reha-Management beitragen. „Das Reha-Management bzw. die lebenslange Nachbetreuung von Schwerstverletzten ist für uns die zentrale Schaltstelle – hier wollen wir Bedarfe und Ressourcen besser erkennen und zusammen mit unseren Versicherten Lösungsansätze für eine selbständige Teilhabe in allen Bereichen des Lebens finden“, so Scholtysik.
Auf Basis dieser Ansätze hat die DGUV unter ihren Mitgliedern eine Arbeitsgruppe einberufen, die im Herbst 2018 ihre Arbeit aufnahm. Innerhalb von zwei Jahren soll das Projekt Ergebnisse erzielen, die idealerweise in einem gemeinsamen Handlungsleitfaden „Soziale Teilhabe“ gebündelt werden. Zum Glück fängt die DGUV hierbei nicht bei „Null“ an. Bereits infolge des UV-Aktionsplans zur UN Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) wurden diverse Aktivitäten eingeleitet. Unter anderem verabschiedete der Vorstand der DGUV ein Grundsatzpapier zur sozialen Teilhabe. Angebote zur Peer Beratung wurden in der Praxis der Unfallversicherung installiert und verfestigt. Aktuell sind in der Datenbank der Unfallversicherung 250 Peers gelistet, die in Ergänzung zum Reha-Management, Versicherte auf Augenhöhe beratend unterstützen. Ähnliche Projekte gibt es gerade im Bereich der Querschnittslähmungen und Amputationen in den 9 bundesweiten BG-Unfallkliniken.
Darüber hinaus gibt es in der Unfallversicherung bereits konkrete Regelungen zur Unterstützung bei der Wohnungs- und Kraftfahrzeughilfe, im Behinderten- und Reha-Sport, bei Erholungsaufenthalten und z.T. bei speziellen Hilfen zur Verbesserung der Mobilität wie z.B. Pedelecs.
Ziel des neuen Projekts sind Antworten auf die Fragestellungen: „Wie kann die soziale Teilhabe bei der Bedarfsermittlung stärker einbezogen werden?“, „Was sind geeignete Instrument zur Erfassung von Teilhabebeeinträchtigungen?“, „Inwieweit können persönliche Zielvereinbarungen und Budgets diesen Prozess positiv unterstützen?“ so Scholtysik. Daneben bildet der Bereich Assistenzleistungen zur Bewältigung des Alltags einen Schwerpunkt des Projekts. Auch das wichtige Thema der Unterstützung bei einer Beeinträchtigung der Sexualfunktionen z. B. in Folge eines schweren Schädelhirntraumas, spielt eine wichtige Rolle. Der umfangreiche Leistungsrahmen der Unfallversicherung „mit allen geeigneten Mitteln“ eröffnet die Möglichkeit zu passenden Unterstützungen, die aber noch besser strukturiert werden müssen.
Weitere Informationen finden sich unter: www.dguv.de.
Ansprechpartner:
Dirk Scholtysik, Abteilung Versicherung und Leistungen, DGUV e. V., Berlin.
Reha-Management ist die umfassende Planung, Koordinierung und zielgerichtete, aktivierende Begleitung der medizinischen Rehabilitation und aller Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft auf der Grundlage eines individuellen Reha-Plans bzw. Teilhabeplans unter partnerschaftlicher Einbindung aller am Verfahren Beteiligten. Das Reha-Management soll möglichst früh einsetzen, vernetzen und nachhaltig wirken, damit das wesentliche Ziel erreicht wird, die berufliche und soziale Teilhabe von Menschen mit bleibenden Behinderungen und damit ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Im Blick des Reha-Managements „steht ein Mensch und nicht ein Fall“ (Quelle: Handlungsleitfaden zum Reha-Management, DGUV 2014). |