Das SGB IX
Ein Meilenstein auf dem Weg zur Inklusion
Das „Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ (SGB IX) hat runden Geburtstag. Es wird am 1. Juli diesen Jahres 20 Jahre alt. Vorangegangen war die Ratifizierung der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-BRK), die seit dem 26. März 2009 in Deutschland geltendes Recht ist.
Mit dem SGB IX begann im Jahr 2001 der Prozess der Umsetzung der UN-BRK. Es ging nicht mehr um Fürsorge und Versorgung für und von Menschen mit Beeinträchtigungen, sondern um deren volle Einbeziehung in alle Aspekte des Lebens und um volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens, wie Artikel 26 der UN-BRK fordert. Das SGB IX setzte sich als Leistungsgesetz in § 1 die Förderung der Selbstbestimmung und der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ebenso zum Ziel wie die Vermeidung und die Abwendung von Benachteiligungen.
Ein besonders bedeutungsvolles Gesetzbuch
Den Paradigmenwechsel der UN-BRK zeichnete das SGB IX nach, indem es sich vom rein funktionalen Begriff der Behinderung des seit 1974 geltenden Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (SchwbG) abwandte und eine körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigung in Beziehung setzte zum Maß der Beeinträchtigung gleichberechtigter Teilhabe an der Gesellschaft. Das SchwbG wollte zwar auch schon die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung und normierte ein eigenständiges Hilfesystem. Das
SGB IX wollte die Inklusion.
Damit hat das SGB IX im Jahr 2001 einen Meilenstein gesetzt. Leistungen zur Teilhabe haben der Integration von Menschen mit Behinderungen zu dienen. Die in § 1 SGB IX niedergelegte Zielsetzung machte das Neunte Sozialgesetzbuch seinerzeit zu einem besonders bedeutungsvollen unter den Sozialgesetzbüchern. Diese Bedeutung kommt dem SGB IX im Verbund mit nachfolgender Gesetzgebung weiterhin zu.
Kritische Begleitung von Umsetzung und Inklusion
Die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR), Dr. Helga Seel, hat auf dem 6. Deutschen Sozialgerichtstag am 17. November 2016 in Potsdam die Teilhabe als einen fortlaufenden Prozess auf verschiedenen Ebenen beschrieben; sie sei nichts Abgeschlossenes mit einem Anfang A und einem Ende B. Teilhabe sei als systematischer Prozess zu verstehen, so sagte sie, in dem es um unmittelbar aufeinander abgestimmte Maßnahmen und Gestaltungsmöglichkeiten gehe. Das ist wahr. Essenziell aber bleibt die normative Verankerung, der politische und der gesetzgeberische Wille zur Regelung. Der Wille zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN-BRK hat in § 1 SGB IX seinen Niederschlag gefunden.
Eine der Kommissionen des Deutschen Sozialgerichtstages e.V. (DSGT) beschäftigt sich seit 2006 neben dem Sozialen Entschädigungsrecht intensiv mit dem Recht der Menschen mit Behinderungen. Die Kommissionsmitglieder erörtern rechtliche Fragestellungen und Praxisprobleme interdisziplinär. Vertreten sind Sozialgerichtsbarkeit, Ärzteschaft, Versorgungsverwaltung, Ministerialverwaltungen des Bundes und der Länder, Sozialverbände. Die Mitglieder der Kommission widmen sich auf regelmäßigen internen Sitzungen mit Leidenschaft, Kenntnisreichtum und großem Erfahrungsschatz einem Gebiet, das zu allen Sozialgesetzbüchern Bezüge hat. Bei Workshops und den Bundestagungen des DSGT tritt die Kommission mit der Diskussion aktueller behindertenrechtlicher Themen in Erscheinung.
So hat sich die Kommission auf dem 7. DSGT am 27. September 2018 im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit der Realisierbarkeit individueller Ansprüche im SGB IX auseinandergesetzt.
Das SGB IX, seine Weiterentwicklung, die Reform der Eingliederungshilfe und natürlich das Bundesteilhabegesetz bieten in reichem Maße Stoff für die kritische Begleitung der Umsetzung der Gesetzgebung und vor allem der Umsetzung der Inklusion, die vor 20 Jahren mit der Schaffung des SGB IX in die deutsche Gesetzgebung Eingang fand.