Ausgewählte Grundsätze und Leistungen
Die Bedeutung der Familie im Zusammenhang mit Rehabilitation und Teilhabe ist facettenreich und wird auch rechtlich zunehmend hervorgehoben. Dies umfasst sowohl die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Kindern, die eine (drohende) Behinderung haben, als auch die Unterstützung einer selbstbestimmten Elternschaft von Eltern mit (drohender) Behinderung. Im Folgenden werden ausgewählte Grundsätze und Leistungen mit dem Schwerpunkt „Familie und Reha“ dargestellt, die die gesamte Familie in den Blick nehmen.
Auf völkerrechtlicher Ebene hat sich Deutschland mit der Unterzeichnung der UN-BRK verpflichtet, wirksame Maßnahmen zu treffen, um unter anderem jede Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in Fragen der Familie und Elternschaft zu verhindern. Dies schlägt sich in einer Reihe trägerübergreifend im SGB IX geregelter Grundsätze nieder. So ist bei der bedarfsgerechten Gestaltung von Leistungen zur Teilhabe den besonderen Bedürfnissen von Müttern, Vätern und Kindern mit Behinderungen Rechnung zu tragen (§ 8 Abs. 1 S. 3 SGB IX).
Als Zielbestimmung von Leistungen zur Teilhabe wird zudem der auch verfassungsrechtlich gesicherte Vorrang der ungetrennten Familie (vgl. Art. 6 GG, § 4 Abs. 3 S. 1 SGB IX) hervorgehoben. Weiterhin sollen Kinder mit Behinderungen möglichst gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden. Sie sind alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der Hilfen zu beteiligen (§ 4 Abs. 3. S. 1, 2 SGB IX). Leistungen für Mütter und Väter werden auch erbracht, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen (§ 4 Abs. 4 SGB IX).
Zudem kann von einem Vorschlag, eine Teilhabekonferenz durchzuführen, nicht abgewichen werden, wenn Leistungen an Mütter und Väter mit Behinderungen bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder beantragt werden (§ 20 Abs. 2 S. 2 SGB IX).
Zu den Leistungen zur Unterstützung von Eltern mit Behinderungen gehören unter anderem „Assistenzleistungen“ im Rahmen der Leistungen zur sozialen Teilhabe für Mütter und Väter bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder (§ 78 Abs. 3 SGB IX). Der Gesetzgeber unterscheidet in der Entwurfsbegründung zwischen der sogenannten „Elternassistenz“ und der „begleiteten Elternschaft“. Bei der „Elternassistenz“ geht es um „einfache“ Assistenzleistungen für Eltern mit körperlichen oder Sinnesbehinderungen, bei der „begleiteten Elternschaft“ um pädagogische Anleitung, Beratung und Begleitung zur Wahrnehmung der Elternrolle, sogenannte qualifizierte Assistenz (BT-Drs. 18/9522, S. 263). Leistungsträger für solche Leistungen kann insbesondere die Eingliederungshilfe (u. a. §§ 113 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m § 78 Abs. 1 u. 3 SGB IX) oder die Kinder- und Jugendhilfe (u.a. §§ 27 ff SGB VIII) sein.
Daneben gibt es verschiedene Leistungen, die vor allem Kinder mit Behinderungen im Blick haben und dabei die besondere Rolle von Familien berücksichtigen. Dies ist beispielsweise die Frühförderung (§ 42 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 46 SGB IX), die bis zum Schuleintritt erbracht werden kann. Die Frühförderung ist eine interdisziplinäre, trägerübergreifende „Komplexleistung“, die zum einen medizinische Leistungen der Krankenversicherung und zum anderen heilpädagogische Leistungen, insbesondere der Eingliederungshilfe und Kinder- und Jugendhilfe, umfasst. Eltern sind durch die Feststellung von Beeinträchtigungen oder Entwicklungsverzögerungen ihrer Kinder und den daraus resultierenden Aufgaben oft in besonderer Weise gefordert. Ziel der Frühförderung ist es, durch verschiedene Leistungen sowohl das Kind sowie auch die gesamte Familie in den Blick zu nehmen. Hier ist beispielsweise auch die Beratung der Erziehungsberechtigten und anderer Bezugspersonen wichtig. Einzelheiten zum Verfahren im Einzelfall sind in der Frühförderungsverordnung und auf Landesebene geregelt.
Als besondere Form der Kinderrehabilitation gibt es die Familienorientierte Reha (FOR), die beispielsweise durch die Träger der Renten- oder der Krankenversicherung (§ 15a SGB VI, § 40 Abs. 2 u. 3 SGB V) erbracht wird. Die FOR bietet die Möglichkeit, der besonderen familiären Belastungssituation von Kindern mit Behinderungen und deren Familienangehörigen Rechnung zu tragen. Die Familienangehörigen werden in die Reha eingebunden, wenn dies medizinisch notwendig ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn durch die Erkrankung des Kindes die Alltagsaktivitäten der Familie erheblich beeinträchtigt werden oder eine erfolgreiche Rehabilitation ohne die Einbeziehung nicht möglich wäre (vgl. § 9 Kinderreha-Richtlinie). Eine Kinderrehabilitation kann jederzeit erneut durchgeführt werden, wenn sie medizinisch notwendig ist. Die tradierte 4-Jahresfrist wurde mittlerweile im SGB V und SGB VI aufgehoben.
Maike Lux, BAR, Fachreferentin Reha- und Teilhaberecht
Über die Zuständigkeiten der Trägerbereiche können Sie sich unter www.reha-navi.de informieren und sich bei Interesse zu dem voraussichtlich zuständigen Reha-Träger navigieren lassen. |