Familienorientierte Rehabilitation (FOR)

Der Patient heißt Familie

Familienorientierte Rehabilitation wird im Kinderhaus der Klinik Bad Oexen bereits seit 1985 angeboten. Dabei zielen die Rehabilitationsleistungen bei den mitbetreuten und in die Reha mit einbezogenen Familienangehörigen primär darauf ab, die Rehabilitationsziele für das krebs- oder herzkranke Kind zu erreichen und den medizinischen Behandlungserfolg langfristig und nachhaltig zu sichern. Deshalb werden nicht nur die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten, sondern auch die der Geschwister und Eltern, also der ganzen Familie, berücksichtigt.

Familie umfasst in diesem Sinn die Kernfamilie der in einem Haushalt lebenden Personen, die ein Familiensystem bilden, sich während der Erkrankung des Kindes um dieses gekümmert und mit ihm gelitten haben. Familie bedeutet hierbei nicht nur die klassische Familienkonstellation mit Vater, Mutter und Kindern, sondern jede Form eines das erkrankte Kind unterstützenden Systems. Das können auch ein homosexuelles Paar mit Kindern oder eine Patchwork-Familie sein.

Zugang zur Familienorientierten Rehabilitation – wer darf mit?

Eine Verfahrensabsprache zu Anträgen der „Familienorientierten Rehabilitation“ für Kinder und Jugendliche mit besonders schweren chronischen Erkrankungen regelt den Zugang zur FOR. Dabei besteht gleichrangige Zuständigkeit der Renten- und Krankenversicherung.

Ziele der Familienorientierten Reha

Die FOR ist ressourcenorientiert. Neben der Unterstützung der Krankheitsbewältigung und des Umgangs mit veränderten Lebenssituationen, beispielsweise nach Umkehrplastik bei Knochentumoren oder schweren Ataxien (Bewegungsstörung) nach Hirntumoren, kommt in Bad Oexen der Vermeidung von Spätfolgen beispielsweise nach Hirntumoren eine immer größere Bedeutung zu. Die Verwirklichung der Ziele von Patientin bzw. Patient und Familie trägt gleichermaßen zum Reha-Erfolg bei. Konkret kann es beispielsweise um die Verbesserung der Geschwister- und Paarbeziehung, die Reintegration in die Peergroup, Akzeptanz von Regeln und Grenzen oder um den Abbau von Verhaltensstörungen wie Einnässen, Einkoten, Aggression oder Autoaggression gehen. Fast immer geht es aber um die Stabilisierung des Familiensystems.

Ein Beispiel

Familie K. kam als Patchwork-Familie mit beiden Eltern, dem 18 Monate alten gemeinsamen Sohn Mika und seinem achtjährigen Halbbruder Ole zu uns. Mika erkrankte mit vier Monaten an einem Hirntumor und erlitt zahlreiche Komplikationen. Auch während der Reha war eine engmaschige ärztliche Betreuung und sogar eine Unterbrechung mit stationärer akutmedizinischer Behandlung wegen des Verdachts auf eine Shuntinfektion erforderlich. Trotzdem kam die Familie nach zwei Wochen gern wieder und teilte uns am Ende der Reha glücklich mit, wie viel unbeschwerte Zeit und Normalität sie hier als Familie erlebt hätten. Mika selbst, der wegen seiner Erkrankung als Säugling noch keine Gruppenerfahrung mit anderen Kindern hatte machen können, habe nicht nur von der Krankengymnastik, der senso-motorischen Integration und der Ergotherapie, sondern vor allem auch vom Sozialkontakt mit Gleichaltrigen in der heilpädagogischen „Kleine Strolche Gruppe“ und in der pädagogischen Gruppe sehr profitiert. Sein Bruder Ole erklärte stolz, dass ihm die Traumstunde, die Schwimmergruppe und das „Muskel für kids“ sowie das heilpädagogische Snoezelen besonders viel Freude bereitet hätten; vor allem aber sei alles so toll gewesen, weil es mal nur um ihn gegangen sei und weil er im Vordergrund gestanden habe. Die Eltern berichteten von der sehr herausfordernden Zeit seit Mikas Erkrankung und von ihrer Erschöpfung. Sie hätten sich kaum noch gesehen, die Paarbeziehung und das Familienleben seien nicht nur wegen der Erkrankung Mikas, sondern zusätzlich noch wegen der Corona-Pandemie, viel zu kurz gekommen. Herr K. sei das alles sehr „auf den Rücken gegangen“.
So konnten die Eltern am Ende berichten, dass nicht nur jeder Zeit für sich gehabt habe und Herr K. vom Rückenmodul profitiert habe, sondern sie sich hier entspannen konnten und als Familie eine Zeit mit vielen Aktivitäten und gemeinsamen Familienangeboten erleben konnten.

Ablauf der Familienorientierten Reha – Verwirklichung der Ziele

Alle Familienmitglieder werden medizinisch und psychosozial aufgenommen, im Verlauf begleitet und erhalten individuelle Angebote. In Bad Oexen gehören dazu unter anderem eine Physiotherapie gemäß Oexener Drei-Säulen-Modell mit Physio-, Wasser- und Hippotherapie, aber auch Ergotherapie, Logopädie und Heilpädagogik sowie Einzel-, Paar- und Familiengespräche, Entspannungsangebote, Musik- und Kunsttherapie.

Vorträge, Schulungen, Sozialberatung und Schulunterricht runden das Angebot ab. Tiergestützte Therapien an und auf dem Pferd und Hundetherapie erweisen sich als besonders wirkungsvoll. Wir legen auch einen Schwerpunkt auf Familienangebote, die ein gesundes Familiensystem fördern.
Soweit für die Steuerung der Therapien oder die sozialmedizinische Beurteilung hilfreich, werden diagnostische Untersuchungen wie beispielsweise Labor, Sonografie oder Echokardiografie durchgeführt. Zur Unterstützung bei der Wahl einer geeigneten Ausbildung oder eines Studiums sind die Spiroergometrie und gegebenenfalls Ganganalysen hilfreiche, objektivierbare Instrumente. Die enge Kommunikation sowohl mit den Familien als auch im Team und während der Reha und die gemeinsame Auswertung am Ende tragen dazu bei, weitergehende Maßnahmen möglichst konkret festzulegen und zu organisieren, um damit die Nachhaltigkeit zu sichern. Hierbei werden auch eine sozialmedizinische Epikrise und eine Beurteilung erarbeitet.

Fazit

Die FOR hat sich in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten zu einem integralen Bestandteil der kinderonkologischen und -kardiologischen Gesamtbehandlung entwickelt. Sie bildet häufig den Abschluss der Akutbehandlung und den Schritt zurück in ein wieder normaleres Leben mit bestmöglicher Teilhabe und zeigt deutliche Nachhaltigkeitseffekte.