Reha zahlt sich aus! Es fragt sich nur wann
Zwischen Optimismus und Ernüchterung
2013 stellte die SPD-Bundestagsfraktion um Bärbel Bas eine Kleine Anfrage zur Entwicklung der Versorgung mit medizinischer Rehabilitation in Deutschland (BT-Drucksache: 17/12264). In der Vorbemerkung hieß es, dass „in unserer vom demografischen Wandel und von einem stetig wachsenden Leistungsdruck am Arbeitsmarkt geprägten Gesellschaft [...] eine umfassende Strategie zur Sicherstellung sozialer Teilhabe und Pflegevermeidung von wachsender Bedeutung“ sei.
Zitiert wurde dabei auch aus der Prognos Studie 2009, in der versucht wurde, den volkswirtschaftlichen Beitrag der medizinischen Rehabilitation genauer zu beziffern. Für jeden in die medizinische Rehabilitation investierten Euro bekäme die Gesellschaft fünf Euro zurück, so die Experten.1 Die Abgeordneten wiesen die Bundesregierung zudem auf Prognosen hin, wonach der Anstieg des Bedarfs an medizinischer Rehabilitation bis zum Jahr 2020 mit bis zu 11 Prozent beziffert werden könnte.
Heute wissen wir, das Credo „Reha zahlt sich aus!“ wartet immer noch auf seinen Durchbruch. Von 2010 (1.974.731) bis 2019 (1.993.585) ist die Fallzahl lediglich um ein Prozent gestiegen.2 Und 2023 ist das 2019-er Niveau immer noch in weiter Ferne. Ähnlich ernüchternd ist auch die Entwicklung der Reha-Vergütung verlaufen. Laut einer Umfrage des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken 2022 fühlt sich jede vierte Reha-Klinik in ihrer Existenz bedroht. Mehr als die Hälfte beurteilen ihre wirtschaftliche Lage als schwierig. Dies verwundert nicht beim Blick auf die aktuellen Tagessätze insbesondere im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
In der besagten Kleinen Anfrage veröffentlichte die Bundesregierung seinerzeit Tagessätze der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Der DRV-Tagessatz für die Orthopädie lag 2011 beispielsweise zwischen 103,30 und 121,81 Euro. Über ein Jahrzehnt später sind um die 120 Euro in der Orthopädie im GKV-Bereich tatsächlich auch noch verbreitet. Dies zeigt, dass trotz Inkrafttreten des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes (IPReG) die Vergütungssätze in der GKV weiterhin nur sehr moderat steigen – trotz Inflation und höheren Lohnkosten. Denn Neukalkulationen der historisch niedrigen Vergütungssätze sind bei den wenigsten Verhandlungen durchzusetzen, weil auf das Prinzip der Vorjahresanknüpfung gepocht wird. Dies erschwert den Einrichtungen nicht nur die Personalakquise, sondern hindert sie auch daran, notwendige Investitionen zu tätigen.
Keine Verhandlung auf Augenhöhe
Der Gang vor die Reha-Schiedsstelle ist nach wie vor eine Seltenheit in der Szene. Zu groß ist die Befürchtung, einen Erfolg mit niedriger Belegung zu bezahlen. Hier zeigt sich dann das deutliche Ungleichgewicht der Verhandlungspartner. Ob die IPReG-Rahmenempfehlungen für Abhilfe sorgen können, wird sich erst noch zeigen müssen. Bis dahin kann die Empfehlung an die Einrichtungen nur lauten, ihre Rechte auszuschöpfen.
Auch bei der DRV wird derzeit leider deutlich, dass Verhandlungen auf Augenhöhe im System nicht vorgesehen sind. Anders lässt es sich nicht erklären, weshalb die Einrichtungen mit dem Inkrafttreten des §15 SGB VI und den hierauf gestützten verbindlichen Entscheidungen bei der Neuzulassung zum
1. Juli 2023 ein Vergütungssystem akzeptieren sollen, dessen konkrete Ausgestaltung noch vollkommen offen ist. Die ersten Überlegungen der DRV sehen vor, dass ein einrichtungsübergreifender Vergütungssatz anhand von Marktpreisen (Stand 2024) einseitig festgelegt wird. Dieser soll jährlich angepasst werden. Lediglich für die einrichtungsspezifische Komponente gesteht die DRV den Ein-richtungen einen begrenzten Verhandlungsspielraum zu. Somit scheint auch hier der Weg für eine Neukalkulation der Vergütungssätze versperrt. Es bleibt zu hoffen, dass die wissenschaftliche Begleitung, die die Entwicklung des neuen Vergütungssystems flankieren soll, ein anderes Verständnis von einem transparenten, nachvollziehbaren, diskriminierungsfreien und gleichbehandelnden Vergütungskonzept hat.
Quellen:
1 www.prognos.com/de/projekt/medizinische-rehabilitation-erwerbstaetiger (19.06.2023)
2 Anzahl der Einrichtungen, der Betten und Patientenbewegungen der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen – Statistisches Bundesamt: www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Vorsorgeeinrichtungen-Rehabilitationseinrichtungen/Tabellen/gd-vorsorge-reha-jahre.html (04.07.2023)