Reha-Info 01/2012 - Editorial
„Die Befähigung des Geistes, dem Unvorhersehbaren standzuhalten, entscheidet die Schlacht“. Carl von Clausewitz‘ Überlegung geht vom Einbruch des Zufalls in die Welt aus; von einem sich jeglichem menschlichen Zugriff verweigernden Rest des Realen, der sich entzieht und damit unberechenbar bleibt. Mal abgesehen von diesem „untilgbaren Rest“, ist die interpretierbare und damit (meist) erklärbare Welt in aller Regel an ihrem Platz. So auch die Welt der Rehabilitation und Teilhabe und das ihr zugrundeliegende alljährliche Ausgabenvolumen: Als Repräsentation gesammelter Daten, als Statistik. Die aktuelle BAR-Statistik „Ausgaben für Rehabilitation und Teilhabe 2008 – 2010“ ist einmal mehr ein Begleiter wider den Einbruch des Zufalls in die Welt, mit objektiven Zahlen, valider Gültigkeit und signifikanter Bedeutung.
Auf der anderen Seite sollte man bekanntlich keiner Statistik trauen, die man nicht selbst gefälscht hat. So oder so, Statistiken allein schaffen keine Glaubwürdigkeit. Gültigkeit und Bedeutung gewinnen Zahlen erst in ihren grundlegenden Auswirkungen auf die Regelungen des sozialen Verkehrs. Als Grundlage für Planung und Aktivität, im Zusammenhalt einer Gesellschaft, die sich mit der UN-Behindertenrechtskonvention den Anforderungen eines normativen Schwergewichts verpflichtet hat. Das stärkt den solidarischen Zusammenhang unserer gesellschaftlichen Ordnung, und damit letztendlich auch die Bestrebungen zur Verwirklichung individueller Freiheiten.
Die Notwendigkeit, gesellschaftlicher Solidarität mittels Teilhabe an politischer Willensbildung Gehör zu verschaffen, setzt auch Bildung voraus. Gerade wenn man Rehabilitation und Teilhabe als ganzheitlichen Prozess gestalten will. Für die BAR mit ihren trägerübergreifenden Seminaren hat fachlicher Austausch daher einen hohen Stellenwert.
Auch hier gilt: Der Wille zur Bewusstseinsänderung verlangt Wissen. Oder um es mit Peter Ustinov zu sagen:
„Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen. Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, dass die Zelle anständig möbliert ist.”
Was aber die „Schlacht“ schließlich entscheidet könnte, ist der Wille zum Wandel. Das fordert aber zwingend ein Verständnis des Bestehenden durch sorgfältige Analyse (Statistik). Sie ist die Basis zum Ausbau der eigenen Wahrnehmung (Bildung). Denn wirklich erkennen heißt tolerieren. Gesellschaftlicher Wandel geht nur im Einverständnis, im Verständnis füreinander. Das Unvorhersehbare tritt immer ein, wir müssen es nur handhaben, im gemeinsamen Diskurs, mit legitimer Solidarität.
Bernd Petri
Geschäftsführer der BAR