Editorial Reha-Info 2/2017
Lebenslagen – alter Wein in neuen Schläuchen!?
Ende 2016 erschien der neue Teilhabebericht der Bundesregierung – gegliedert nach Lebenslagen. Die neue Homepage der Bundesagentur für Arbeit ist online – gestaltet nach Lebenslagen. Im Bundesteilhabegesetz werden Eingliederungshilfeleistungen unterteilt – nach Lebensbereichen. Was hat es mit der scheinbar „neuen“ Ausrichtung von Teilhabebedarf und Reha-Leistungen an Lebenslagen auf sich? Ketzerisch gefragt: Reicht nicht die Systematik im SGB IX sowie der Reha-Prozess? Nein, das reicht nicht, soviel steht fest. Denn Menschen, die Unterstützung für ihre Teilhabe brauchen, müssen nicht in der Systematik eines Gesetzes denken; ihr Ausgangspunkt ist vielmehr ihr individuelles Problem und ihr individueller Unterstützungsbedarf.
Was den Ansatz so besonders macht, ist eben diese personenzentrierte Sichtweise. Lebenslagen bilden die tatsächliche Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderung ab. Sie orientieren sich nicht an bestimmten Träger- oder Leistungsgrenzen, die eher künstlich sind und nicht der Lebenssituation entsprechen. Beispielhafte Lebenslagen sind Familie, Gesundheit, Ausbildung, Arbeit und Freizeit. Anhand dieser lässt sich aufzeigen, inwieweit eine Person bei der Verwirklichung eigener Lebensvorstellungen beeinflusst wird.
Dass dieser Ansatz zielführend ist, zeigte sich auch in der Übersetzung des BAR-Wegweisers Reha & Teilhabe in leichter Sprache. Wie erklärt man das Reha-System verständlich und nachvollziehbar, insbesondere für Menschen mit kognitiven Einschränkungen? Für die beteiligten Menschen mit Behinderung als Übersetzer war schnell klar, dass eine Zuordnung der verschiedenen Strukturen und Leistungen anhand von Lebenslagen am Besten gelingt. Auch viele Berufe im Reha-Geschehen arbeiten mit dieser Betrachtungsweise, weshalb das 2018 erscheinende BAR-Fachbuch für Ärzte und weitere Gesundheitsberufe ein Lebenslagenkapitel beinhalten wird.
Der Lebenslagenansatz ist nicht neu. Und doch nimmt er an Fahrt auf. So sollten Hilfesysteme und Leistungsstrukturen den individuellen Bedarfen des Einzelnen in seiner Lebenslage ausgerichtet werden und nicht umgekehrt – was nicht zuletzt den Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention entspricht und mit dem Bundesteilhabegesetz noch einmal mehr an Aktualität gewinnt.
Ich grüße Sie herzlich
Ihre Helga Seel
Geschäftsführerin der BAR