Kurs halten in puncto Teilhabe
Der trägerübergreifende Aufbau und die Weiterentwicklung von regionalen Netzwerkstrukturen fördern den Austausch, geben Sicherheit beim gemeinschaftlich ausgerichteten Agieren und kommen letztlich der bedarfsgerechten Versorgung von Menschen mit Behinderungen zugute. Sie dienen dem übergreifenden Ziel, Rehabilitationsmaßnahmen zielgenau, lückenlos und abgestimmt umzusetzen.
Regionalkonferenzen zwischen den Rehabilitationsträgern sollten als mittlerweile erprobte Organisationsform auch weiterhin eine gelebte Praxis sein, um u.a. die Umsetzung des BTHG kritisch zu begleiten. Dabei sollte es in erster Linie um die Transformation von den gesetzlichen Verpflichtungen, hin zum "Echtbetrieb" gehen, um die Auseinandersetzung mit Lösungsansätzen, Kooperationschancen und zielführenden Projekten. Der Schwerpunkt läge nach meiner Überzeugung dabei stets auf der Umsetzung der Landesrahmenverträge, der Partizipation den Menschen mit Behinderungen und ihrer Selbstvertretungen sowie auf der nachhaltigen trägerübergreifenden Kooperation.
Wir befinden uns nach wie vor in einem historischen Zeitfenster mit außergewöhnlichen gesellschaftlichen Herausforderungen. Diese paaren sich mit zeit- und kräftebindenden Daueraufgaben, wenn es um den inklusiven Arbeitsmarkt, die Erhöhung der Beschäftigungsquote Schwerbehinderter, die Gewährleistung einer umfassenden Barrierefreiheit, oder auch um die inklusive Gesundheitsversorgung geht. Aus dieser Perspektive müssen wir mehr denn je sicherstellen, dass eine bedarfsgerechte Informations- und Beratungskultur der Anspruch aller Leistungsträger und -erbringer bleibt. Teilhabeleistungen müssen auf allen sozialen Aktionsfeldern für die Leistungsberechtigten sowohl gewährleistet werden, als auch barrierefrei und somit zugänglich und verständlich sein.
Die Servicequalitäten müssen sich im Rahmen von Beratung, Assistenz, Vermittlung und Aufklärung, so meine Wahrnehmung, spürbar weiterentwickeln. Gute Ansätze erkenne ich in der Stärkung der EUTB`s und dem Entstehen neuer Beratungsstellen, die ortsnah, unabhängig und niederschwellig ihre Aufgaben wahrnehmen. Das über das Teilhabestärkungsgesetz verankerte "Lotsensystem" zähle ich dazu. Ausdruck dieser Qualitäten ist zudem die Sicherung umfassender Beteiligungsrechte von Menschen mit Behinderungen, ihrer Bezugspersonen und ihrer Selbstvertretungen. Hierzu müssen wir noch deutlich aufholen und neben den Aspekten der Entbürokratisierung, Verständlichkeit und Zeitersparnis die praktische Umsetzung, Koordination und Verbindlichkeit im Sinne der Menschen mit Behinderungen spürbarer in den Vordergrund rücken. Nur dann bleiben Mitbestimmung und Partizipation als Struktur- und Handlungsprinzipien der Teilhabeplanung nicht auf den Ebenen des Normativen und von wohlgemeinten Absichtserklärungen hängen. Es existiert nach meiner Erfahrung eine chancenreiche, enge Wechselwirkung zwischen aktiver Beteiligung und Mitwirkung, Leistungserfolg, Eigenmotivation und Passgerechtigkeit bei der Gewährung von Leistungen. Diese Mechanismen sollten für Rehabilitationsabläufe und Aushandlungsprozesse handlungsleitend sein.
Die Trägervielfalt und das in Deutschland ausdifferenzierte System der Sozial- und Rehabilitationsleistungen stellen eine unveränderte Ausgangslage mit Zuständigkeitsabgrenzungen dar. Mein Eindruck ist, dass vor dem Hintergrund des hochkomplexen BTHG und der Einführung des trägerübergreifenden Teilhabeplanverfahrens sowie des nicht immer einfachen Weges von der Fürsorge zur Teilhabe die Selbsterkenntnis erfahrungsbasiert wächst, dass es im Antrags- und Leistungsgeschehen in den Bereichen der Rehabilitation und Teilhabe ohne eine engmaschige Netzwerkgestaltung und Abstimmung zwischen den Trägern, ohne eine interdisziplinäre Verzahnung nicht geht. Hier ist mit klarem Blick auf ein modernes Teilhaberecht und eine personenzentrierte Rehabilitation Kurs zu halten, auch wenn pandemiebedingte Verwerfungen, Konsolidierungsbestrebungen, Arbeitsverdichtung und Engpässe in den Fachkräfteressorts nicht unbedingt förderliche Faktoren darstellen. Koordination und Kooperation müssen sichergestellt, Fragen des nach gleichen Grundsätzen ausgerichteten Verwaltungshandelns beantwortet, Fragen der Zuständigkeit unmissverständlich geklärt und Leistungen einheitlich erbracht werden. Leistungen wie aus einer Hand, dass weckt Erwartungen und bleibt ein erstrebenwertes, hohes Ziel.
Ich würde die wunschgeleitete Empfehlung aussprechen, dass sich alle jeweils Verfahrensbeteiligten verbindliche Austauschformate bzw. Standards der Zusammenarbeit und zielführenden Verständigung mit dem Anspruch auf Verstetigung auferlegen. Der Bedarf an Austausch und Verständigung, ob zu Fallkonstellationen, Rechtsfragen oder zum Portfolio anderer Rehabilitationsträger, ist nach meiner Überzeugung und unabhängig von pandemiebedingten Nachholbedürfnissen, grundsätzlich hoch.