Update Genehmigungsfiktion II: Weitere Kernaussagen neuerer Rechtsprechung
Zum Rechtsinstitut der Genehmigungsfiktion (§ 18 SGB IX bzw. § 13 Abs. 3a SGB V) sind mittlerweile zahlreiche Detailfragen in der Rechtsprechung behandelt worden, überwiegend zu der bereits seit 2013 geltenden Regelung des § 13 Abs. 3a SGB V, vgl. auch Reha-Info-Ausgaben 4-2016, 1-2018, 4-2018, 2-2019, 5-2020 und 4-2022. In der Instanzrechtsprechung werden zuletzt die zu § 13 Abs. 3a SGB V entwickelten Maßstäbe auch auf die „Parallelvorschrift“ § 18 SGB IX angewendet. Nachfolgend werden weitere, bisher hier noch nicht bzw. noch nicht detailliert aufgegriffene Kernaussagen jüngerer Rechtsprechung wiedergegeben.
Auch § 18 SGB IX begründet nur einen Anspruch auf Kostenerstattung, nicht auf die begehrte Sachleistung.
Auch bei § 18 SGB IX beginnt die Frist erst dann, wenn der Antrag hinreichend bestimmt (iSv § 33 Abs. 1 SGB X) gestellt ist.
Bayerisches LSG, Urt. v. 29.04.2021 - L 8 SO 217/20; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23.06.2020 - L 27 R 735/19 B ER; SG Heilbronn, Urt. v. 12.08.2021 - S 2 R 1943/20, unter Bezug auf BSG zu § 13 Abs. 3a SGB V (Urt. v. 26.05.2020 – B 1 KR 9/18 R, und v. 18.06.2020 –B 3 KR 14/18 R); Begrenzung auf Kostenerstattung (Hinweis: Verfassungsbeschwerde des VdK noch anhängig) mittlerweile st. Rspr. des BSG, vgl. z. B. Urt. v. 18.08.2022 – B 1 KR 50/21 B – u. Beschl. v. 07.12.2022 – B 1 KR 48/22 BH – m.w.N.
Auch bei § 18 SGB IX ist die Bekanntgabe der Entscheidung (über den Antrag) gegenüber dem Antragsteller maßgebend für die Einhaltung der Frist. LSG Berlin-Brandenburg a.a.O.; BSG, Urt. v. 26.02.2019 - B 1 KR 20/18 R
Auch bei § 18 SGB IX hindert die Vorfestlegung des Antragstellers auf eine Leistung den Eintritt der Genehmigungsfiktion.
Eine Vorfestlegung liegt vor, wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung über den Antrag ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat, wenn er also fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte.
BSG, Urt. v. 10.3.2022 - B 1 KR 6/21 R-; in Bezug auf § 18 vgl. SG Heilbronn a.a.O. (Hinweis: Als Indizien für eine Vorfestlegung herangezogen werden z. B.: Leistungsbeginn vor Antragstellung (BSG, 16.08.2021 - B 1 KR 29/20 R),Vereinbarung von festen Behandlungsterminen vor Fristablauf (BSG, Urt. v. 25.03.2021 - B 1 KR 22/20 R)
Grob fahrlässig handeln Versicherte, die sich trotz der ihnen vermittelten erdrückenden Sach- und Rechtslage der Erkenntnis verschließen, dass sie auf die selbstbeschaffte Leistung offensichtlich keinen Anspruch haben, obwohl sie nach ihren persönlichen Fähigkeiten zu dieser Erkenntnis in der Lage wären. BSG, Urt. v. 26.05.2020 - 1 KR 9/18 R
„Gutgläubigkeit“ i.S.d. § 18 Abs. 5 SGB IX wird nicht durch einen Meinungsstreit über rechtliche und tatsächliche Umstände, insb. unterschiedliche gutachtliche Bewertungen, ausgeschlossen. „Gutgläubigkeit“ kann auch bei Ablehnung einer Leistung nach Fristablauf vorliegen, wenn die beantragte Leistung zuvor als Ergebnis einer anderen Reha-Leistung ausdrücklich empfohlen worden war.
SG Heilbronn a.a.O.
Zeigt ein Reha-Träger dem Antragsteller im Vorfeld der Antragstellung das klare Fehlen der Voraussetzungen der später beantragten Leistung auf, kann dies „Gutgläubigkeit“ ausschließen.
Bayerisches LSG a.a.O.
* Aus Leitsätzen der Gerichte bzw. Orientierungssätzen nach JURIS sowie Entscheidungsgründen, redaktionell abgewandelt und gekürzt