Niedrigschwellig und bedarfsgerecht
Zur Gestaltung des Zugangs zur Rehabilitation
Psychosoziale Faktoren als relevante Einflussgröße in der Aufrechterhaltung von Gesundheit, in der Entstehung von Erkrankungen, in der Förderung von Gesundheitskompetenz und in der Krankheitsverarbeitung finden nach wie vor zu wenig Beachtung. Dies obwohl in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft der Zusammenhang zwischen Gesundheit und sozialer Lage und deren Auswirkungen auf die Teilhabe bekannt ist.

Akute und chronische Erkrankungen sind oftmals mit massiven Herausforderungen für die betreffenden Personen in ihrer Lebenswelt verbunden. Auswirkungen können sich beispielsweise auf eine drohende Pflegebedürftigkeit, den vorübergehenden Ausfall einer Erwerbstätigkeit oder Pflegetätigkeit, Armutsrisiken, Rollenveränderungen in sozialen Gefügen oder Identitätsverlust beziehen. Dem Zugang zur Rehabilitation kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Denn es geht darum, durch geeignete Maßnahmen den Genesungsprozess und den Behandlungserfolg zu sichern, sekundäre Folgen wie andauernde Arbeitsunfähigkeit, Berentung oder Pflegebedürftigkeit zu verhindern, die Personen für die Krankheits- und Alltagsbewältigung zu befähigen und eine Rückkehr in die Arbeitswelt zu gestalten und zu fördern.
Bislang fehlen trägerübergreifende Standards für interprofessionelles Entlassmanagement
In Krankenhäusern trägt ein qualifiziertes Entlassmanagement wesentlich zur nachhaltigen Sicherung des Behandlungserfolgs bei und gewährleistet einen reibungslosen Zugang zur medizinischen Rehabilitation. Allerdings fehlen verbindliche trägerübergreifende Standards für ein interprofessionelles Entlassmanagement, die bedarfsorientiert den Menschen mit Rehabilitationsbedarf und -potenzial in den Mittelpunkt stellen und eine interprofessionelle Umsetzung fordern. Um eine zukunftsfähige sektorenverbindende Gesundheitsversorgung auf der Grundlage der zunehmenden Ambulantisierung im Akutbereich zu gewährleisten, müssen die Prozesse gemeinsam von den Gesundheitsberufen standardisiert, verbessert und konkretisiert werden. Die Forderung nach verstärkter ambulanter Versorgung und Behandlung darf und sollte sich nicht nur auf den medizinischen Bereich beschränken. Das greift zu kurz. Das Entlassmanagement muss nicht nur die Sicherstellung einer erforderlichen Anschlussversorgung, sondern auch die Genesung und den gelingenden Umgang mit gesundheitlichen Einschränkungen Reha-Entwicklung sowie die Wiedererlangung bzw. Erhaltung von Autonomie und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zum Ziel haben. Dazu gilt es, den individuellen Unterstützungsbedarf mit den Ressourcen der betreffenden Menschen, dem sozialen Netzwerk und den Angeboten des Gesundheits- und Sozialsystems in eine möglichst gute Passung zu bringen. Standard muss sein, dass den Patientinnen und Patienten sowie deren Bezugspersonen zum richtigen Zeitpunkt durch eine fundierte Beratung der Zugang zu Informations- und Beratungswegen für die Zeit nach dem Klinikaufenthalt aufgezeigt wird.

Enge Verzahnung von Rehabilitations- und Teilhabeleistungen ist wichtig
Rehabilitationswissenschaftlich gesichert ist, dass die Behandlung sowie medizinische Rehabilitations- und berufliche Teilhabeleistungen eng miteinander verzahnt werden müssen. Dies wird beispielsweise durch Konzepte der Medizinisch-berufsorientierten Rehabilitation (MBOR), Case Management, Übergangsmanagement oder Nachsorge gestützt. Die Sozialdienste werden als Funktionseinheiten und Akteurinnen bzw. Akteure unter anderem in Gemeinsamen Empfehlungen der BAR benannt. Eine Kernaufgabe Sozialer Arbeit ist die psychosoziale und sozialrechtliche Beratung, Unterstützung, soziale Sicherung, Krisenintervention sowie Ressourcenerschließung und Navigation. Interventionen gesundheitsbezogener Sozialer Arbeit zielen in der Fallarbeit stets auf die Wiedergewinnung von Autonomie in der alltäglichen Lebensführung und auf die Stärkung von Teilhabe und Gesundheitskompetenz ab. Beim Zugang zur medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation kommt der Beratung durch Fachkräfte der Sozialen Arbeit eine zentrale Bedeutung zu. Nach wie vor fehlt jedoch in einem Drittel der Krankenhäuser die Soziale Arbeit als Akteurin im interprofessionellen Team.

Auch die im Rahmen der Krankenhausreform bislang entwickelten Neuerungen lassen eine systematische und leitliniengerechte Einbindung psychosozialer Aspekte sowie der entsprechenden beratenden und therapeutischen Berufsgruppen vermissen. Darüber hinaus erschweren bürokratische und verfahrensbedingte Hürden im gegliederten System den Zugang zur Rehabilitation und bewirken Mehraufwände und unnötige zeitliche Verschiebungen für alle Beteiligten. Insbesondere vor dem Hintergrund der Qualitätssicherung und der Erforderlichkeit zur sektorenübergreifenden Kooperation, Vernetzung und Gestaltung der Leistungen kann es schon jetzt nicht mehr nur darum gehen, den Fokus auf den Übergang von Krankenhaus zur Rehabilitation zu verbessern.
Für eine bedarfsgerechte, gute Beratung sind im Sinne des Grundsatzes „Rehabilitation vor Pflege“ und der bedarfsgerechten Steuerung Anpassungen notwendig, die sich auf rechtliche, strukturelle und organisatorische Rahmenbedingungen beziehen. Grundsätzlich sind psychosoziale Beratung sowie Steuerungs-, Vernetzungs- und Koordinationsleistungen für das Gesundheits- und Sozialwesen erforderlich. Dazu braucht es eine verbindliche Absprache zwischen Beteiligten im interdisziplinären Kanon, die weit über ein erfolgreiches Entlassmanagement hinausgehen.
Die Soziale Arbeit ist als eine Akteurin in dem Kontext dazu bereit und in der Lage, ihren Beitrag mit Beratungs- und Lotsenkompetenzen zu leisten.