Die Bedarfsermittlung bei ambulanten Leistungen zur Teilhabe – welche Rolle spielt die Selbstbestimmung?
Selbstbestimmung bedeutet, dass Menschen ihren eigenen Weg entwickeln können. Ambulante Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen durch ihre hohe Flexibilität, die gefundenen Wege auch zu gehen. In der Bedarfsermittlung werden die Voraussetzungen für die Beschreibung eines individuellen Bedarfes gelegt. Leistungserbringer unterstützen diese zentrale Phase des Reha-Prozesses durch Angebote wie Assessments, Diagnostik oder Erprobungen ein. Doch welche Rolle spielt die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen im Setting der Bedarfsermittlung in der ambulanten beruflichen Rehabilitation?
Das Grundkonzept der ambulanten beruflichen Rehabilitation bedeutet, dass die Leistungen immer wohnortnah und betrieblich orientiert gestaltet sind. Die Teilnehmer*innen können dann zuhause wohnen bleiben – in ihrem vertrauten Umfeld. Die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) absolvieren sie dann tagsüber in einem Betrieb des ersten Arbeitsmarkts. Alle notwendigen begleitenden Unterstützungen, zum Beispiel die rehabilitationspädagogische oder psychologische Betreuung, Stütz- und Förderunterrichte sowie die Begleitung des Prozesses im Betrieb werden vom zuständigen Leistungserbringer erbracht. Auch die Bedarfsermittlung beim Leistungserbringer im Bereich der ambulanten beruflichen Rehabilitation ist betrieblich und wohnortnah organsiert. Arbeitserprobungen finden in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes statt. Nicht nur das soziale Umfeld wird über die Kontextfaktoren in die Bedarfsermittlung miteinbezogen. Bedarfsermittlung ist ein grundlegend kommunikativer Prozess. Partizipation kann nur dann funktionieren, wenn die Teilnehmer*innen direkt in die Prozesse als aktiver Part eingebunden sind. Auf besonders formulierte Bedarfe und Anforderungen eines Teilnehmer*innen kann im ambulanten Vorgehen gut eingegangen werden. So werden z.B. die Betriebe für eine Arbeitserprobung individuell ausgewählt. Erreichbarkeit, Berufsfeld und weitere Rahmenbedingungen können berücksichtigt werden. Ergebnisse, die so erzielt werden, sind für die Teilnehmer*innen transparent und gut nachvollziehbar. Und für den Leistungserbringer wirkt ein wichtiges Regulativ: „Passt unsere Leistungserbringung gut für den Versicherten?“ Das Persönliche Budget ist immer noch nicht umfassend gelebte Praxis. Im ambulanten Bereich gibt es dennoch eine Reihe von solchen Beauftragungen. Das Persönliche Budget ermöglicht durch seine Konstruktion, dass der Leistungsberechtigte zum „Auftraggeber“ des jeweiligen Leistungserbringers wird. Das ist eine sehr konsequente Einflussnahme auf die Leistungserbringung. Menschen, die ein persönliches Budget beziehen, sind in der ambulanten beruflichen Rehabilitation gut untergebracht. Gemeinsam mit der/dem – beauftragenden – Leistungsberechtigten wird jeweils erarbeitet, welche Leistung sie oder er in welcher Weise benötigen – und welche nicht. Die entsprechenden Elemente, z.B. Testungen und betriebliche Erprobung in einem Betrieb am Wohnort können so umgesetzt werden. Für alle Schritte gilt: nur wenn die Leistung transparent und verständlich für die/den Teilnehmer*in durchgeführt wird, kann sie/ er die berechtigten Interessen formulieren. In diesem Zusammenhang spielen Themen wie „leichte Sprache“ in der Leistungserbringung in vielen Bereichen eine zunehmend wichtige Rolle. Es wird immer wieder von einem „Trend“ zur Individualisierung gesprochen. Im Kern ist dies jedoch kein Trend, sondern auch der – für uns alle – berechtigte Anspruch, selbstbestimmt wesentliche Aspekte des Lebens mitgestalten zu können.
Hintergrund Bedarfsermittlung durch Leistungserbringer in der beruflichen Rehabilitation – Wann findet sie statt? Bedarfsermittlung findet in unterschiedlichen Phasen des Reha-Prozesses statt. Nach Klärung der Zuständigkeit erfolgt Bedarfsermittlung grundsätzlich durch den Reha-Träger oder in seinem Auftrag beim Leistungserbringer, z. B. im Rahmen einer Arbeitserprobung oder Eignungsabklärung. Während der Leistungserbringung führt der Leistungserbringer Bedarfsermittlung zur Konkretisierung der Teilhabeziele und zur Planung der Leistung durch. Nach dem Abschluss einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben steht bei der Bedarfsermittlung das Ziel der dauerhaften Beschäftigung im Vordergrund. Quelle: BAR et al.; Bedarfsermittlungskonzept, 2019 (S. 14). |