Stärkung von Selbstbestimmung in der Nachsorge

„Lange Zeit nach meinem Unfall konnte ich nicht selbstbestimmt meinen Alltag gestalten, sondern war häufig auf fremde Hilfe angewiesen. Jetzt kann ich endlich wieder den „Drahtesel“ nutzen, um beispielsweise einkaufen zu gehen, Freunde zu besuchen oder Arzttermine wahrzunehmen. Mir gibt das ein Gefühl von Freiheit endlich wieder die Dinge tun zu können, die ich auch vor meinem Unfall mit Begeisterung gemacht habe. Und das tut richtig gut!“, erklärt Anna M. während sie ihren Fahrradhelm öffnet und absetzt.

Anna M. ist begeistert, ihre Augen leuchten und ein wenig aus der Puste ist sie auch. Die 28-jährige Frau parkt ihr dreirädriges Liegefahrrad souverän neben den anderen Rädern vor ihrer Wohnung. Sie greift zum Gehstock, der sich hinter ihr in einer Fahrradtasche befindet, schultert den Rucksack mit ihrem Einkauf und bewegt sich langsam zum Hauseingang.
Anna M. ist nach einem Unfall, der zu einem schweren Schädel-Hirn-Trauma führte, aufgrund von Gleichgewichtsstörungen in ihrer Mobilität eingeschränkt. Nun fährt sie ein dreirädriges Liegefahrrad, welches im Vergleich zu einem herkömmlichen Fahrrad über einen tiefen Schwerpunkt verfügt und somit eine hohe Kippstabilität bietet. Dieses auf ihre besonderen  Bedarfe abgestimmte Fortbewegungsmittel kann sie trotz ihrer Ataxie im Straßenverkehr gut kontrollieren. Lange Zeit war das Fahrradfahren, das die junge Frau vor ihrem Unfall mit  Begeisterung täglich umgesetzt hatte, ein Tabuthema. Angst vor einem Sturz, daraus resultierende Unsicherheit und wenig Kenntnis über geeignete, auf eine Behinderung angepasste Fahrradmodelle verhinderten lange ihre inklusive Mobilität im Alltag. Erst ihre Teilnahme an dem dreitägigen Seminar „Begegnungswochenende für Menschen mit Schädelhirnverletzungen“ in Dresden ermutigte sie, den „Drahtesel“ wieder in ihren Alltag zu integrieren. Durch ihre Teilnahme an dem Workshop „Radfahren trotz Behinderung - Mobilitätsförderung auf zwei oder drei Rädern“ konnte sie verschiedene Fahrräder unter professioneller Anleitung ausprobieren.
 

„Auf dem dreirädrigen Liegefahrrad fühlte ich mich am sichersten. Dank einer professionellen Einweisung in die Technik und Hinweisen zum verkehrssicheren Führen des Liegerades konnte ich die sich anschließende Fahrradtour durch die Dresdner Heide fast ohne Unterstützung meistern. Dieser Workshop hat mich ermutigt, das Radfahren wieder in meinen Alltag zu integrieren. Bereits drei Wochen nach dem Seminar habe ich mit einem Fahrradhändler Kontakt aufgenommen und eine individuelle Anpassung eines Liegerades durchführen  lassen. Eine finanzielle Unterstützung erhielt ich durch meine Berufsgenossenschaft im Rahmen der Leistungen zur sozialen Teilhabe“. Die Seminare „Erlebniswochenende bzw. Begegnungswochenende für Menschen mit Schädelhirnverletzungen“ sind ein Kooperationsprojekt der Hochschule der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (HGU) und der ZNS - Hannelore Kohl Stiftung. Verschiedene Workshops, die von Fachleuten und Betroffenen moderiert werden, bieten ein Forum zum Erfahrungsaustausch und zur Selbstreflexion. Neue  soziale Kontakte können geknüpft werden. Mit einer Reihe von kreativen und sportlichen Freizeitangeboten werden Anregungen gegeben, welche Aktivitäten auch mit einem Handicap im Alltag möglich sind.
Weitere Informationen zu den Seminaren sind unter www.zns-akademie.de oder www.dguv.de > hochschule > wissensmanagement > fachtagungen > erlebnistage abrufbar.