Digitalisierung und Reha-Prozess
Ein kursorischer Überblick über rechtliche Entwicklungen
Dr. Christiane Goldbach, Team Reha- & Teilhaberecht der BAR
Die technischen Möglichkeiten schreiten zunehmend voran und beeinflussen dabei auch den Bereich Rehabilitation und Teilhabe. Dies betrifft u. a. die Ausgestaltung von Leistungsinhalten (z. B. digitale Anwendungen/Apps), mögliche Leistungsformen (z. B. „digitale Leistungsdurchführung“) sowie die Umsetzung des Verwaltungsverfahrens („digitaler Reha-Prozess“). Die Nutzung digitaler Möglichkeiten durch die Sozialleistungsträger bedarf dabei einer rechtlichen Regulierung, die z. B. die Nutzung erlaubt oder verpflichtend vorschreibt (vgl. § 31 SGB I), was jedoch nicht in jedem Fall gesetzliche Neuregelung voraussetzt. Im Folgenden werden ausgewählte zentrale rechtliche Weiterentwicklungen aufgezeigt, die vor allem (auch) trägerübergreifende Aspekte der Digitalisierung des Verwaltungsverfahrens im Bereich Rehabilitation und Teilhabe betreffen:
Das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz – OZG) ist zum 18.08.2017 in Kraft getreten (vgl. Art. 9, 25 Abs. 1, BGBl. I 57/2017, S. 3122) und verpflichtet Bund und Länder bis spätestens 31. Dezember 2022 „ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale“ anzubieten (vgl. § 1 Abs. 1 OZG). Die Verpflichtung des OZG betrifft grundsätzliche alle Behörden - also neben Bund, Ländern und Kommunen z. B. auch Sozialversicherungsträger - und damit im Ergebnis alle Reha-Träger i. S. d. § 6 SGB IX. Welche Leistungen nach dem OZG konkret online verfügbar gemacht werden müssen, ist nicht eindeutig geregelt. Im OZG-Umsetzungskatalog werden aktuell über 575 OZG-Leistungen erfasst und der Katalog stetig aktualisiert (mit Registrierung abrufbar unter https://informationsplattform.ozg-umsetzung.de). Dabei sind beispielsweise bei den Lebenslagen Behinderung und Krankheit auch Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe aufgeführt.
Die Umsetzung der elektronischen Verfügbarmachung von OZG-Leistungen muss verschiedenen Anforderungen genügen, wie z. B. der Sicherstellung eines Zugangs für Bürgerinnen und Bürger zu allen Verwaltungsleistungen über einen gemeinsamen Portalverbund von Bund und Ländern. Dieser Zugang über den Portalverbund muss barrierefrei und medienbruchfrei erfolgen (vgl. § 3 OZG), wobei medienbruchfrei heißt, dass die Verwaltungsleistung durchgängig auf elektronischem Weg erbracht wird (vgl. BT-Drs. 18/11135, S. 92). Ein Prototyp mit Anwendungsbeispielen ist bereits veröffentlicht (https://www.beta.bund.de). Im Bereich des Reha-Prozesses kann ein medienbruchfreier Zugang neben der elektronischen Beantragung von Rehabilitationsleistungen, z. B. auch die Kommunikation mit den antragstellenden Personen im Kontext der Bedarfsermittlung, Teilhabeplanung und Leistungsentscheidung betreffen.
Im Ergebnis wird die Umsetzung des OZG voraussichtlich auch weite Teile der Rehaund Teilhabeleistungen umfassen und dadurch eine Digitalisierung des Reha-Prozesses fördern bzw. fordern. Ein Blick in die Reha-Landschaft zeigt, dass auch bislang bereits verschiedene Verwaltungsprozesse digitalisiert sind oder zunehmend digitalisiert werden. Beispielsweise haben Versicherte im Bereich der Rentenversicherung bereits die Möglichkeit, mit Registrierung einen Rehabilitationsantrag elektronisch zu stellen. Die Bundesagentur für Arbeit strebt mit ihrer Strategie 2025 digitalen Service an, damit Leistungsberechtigte die Leistungen durch online-Angebote ohne großen Aufwand in Anspruch nehmen können. In der gesetzlichen Unfallversicherung werden u. a. verschiedene Pilotprojekte zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen durchgeführt. Im Bereich der Krankenkassen bestehen u. a. Projekte zur digitalen Umsetzung und Übermittlung des Antrags auf Anschlussrehabilitation. Konkret bezogen auf die Umsetzung des OZG hat der GKV-Spitzenverband seiner gesetzlichen Verpflichtung entsprechend zum 31. März 2020 einen ersten Bericht zum Umsetzungstand vorgelegt (vgl. § 217f Abs.2a SGB V). Darüber hinaus erfolgen bei allen Reha-Trägern weitere Umsetzungsschritte für eine zunehmende Digitalisierung der Verwaltungsleistungen im Sinne des OZG.
Besonders weit fortgeschritten sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine zunehmende Digitalisierung des Gesundheitswesens nach dem SGB V, die auch das Verwaltungsverfahren in der Rehabilitation betreffen. In einer Reihe von Gesetzen - z. B. Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vom 06.05.2019 (BGBl. I 18/2019,S. 646); Digitale-Versorgungsgesetz (DVG) vom 9.12.2019 (BGBl. I 49/2019, S. 2562); Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) vom 14.10.2020 (BGBl. I 46/2020, S. 2115) - wurden verschiedene Anpassungen im SGB V vorgenommen.
Die damit verbundenen Änderungen im SGB V regeln u. a. einen zunehmenden Ausbau der Telematikinfrastruktur - an die nunmehr auch Rehabilitationseinrichtungen angeschlossen werden können (vgl. §§ 306 ff., insb. § 381 SGB V) — das Angebot einer elektronischen Patientenakte ab 2021 (vgl. § 342 Abs. 1 SGB V) sowie eine elektronische Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel ab 2022 – u. a. durch Ärzte in Rehabilitationseinrichtungen (vgl. § 360 Abs. 2 SGB V). Ferner sollen digitale Anwendungen und Dienste im Verhältnis der Krankenkassen und Leistungserbringer zu den Versicherten ausgebaut werden, auch um die aktive und informierte Mitwirkung der Versicherten am Rehabilitationsprozess zu fördern (vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB V).