Abgrenzung medizinische Reha/ambulante ärztliche Behandlung

Orientierungssätze
1. Isolierte ambulante ärztliche Krankenbehandlung in Form zulässiger Psychotherapie istregelmäßig keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne der GKV.

2. Die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche umfasst keineärztliche ambulante Krankenbehandlung im Sinne der GKV.

3. § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX regelt nur Kostenerstattungen für Rehabilitationsleistungen. Ergreift nicht, wenn der Erstattung begehrende Träger weder nach eigenem Recht eine Rehabilitationsleistungerbracht hat noch seine Leistung einen Rehabilitationsanspruch gegenden als erstattungspfl ichtig in Anspruch genommenen Träger erfüllte.

BSG, Urteil vom 17.12.2013, Az.: B 1 KR 50 / 12 R

*Leitsätze des Gerichts und Orientierungssätze nach JURIS, jeweils redaktionell abgewandelt

Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Ein 1994 geborener Versicherter beantragte 2005 bei der beklagten Krankenkasse (KK) eine Behandlung durch eine seinerzeit nicht als Vertragspsychologin zugelassene Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin.
Dies lehnte die KK ab und leitete die Unterlagen an das Kreisjugendamt des klagenden Landkreises (LK als Träger der öff entlichen Jugendhilfe) weiter. Der LK bewilligte Eingliederungshilfe (§ 35a SGB VIII) und übernahm die Kosten für eine Verhaltenstherapie bei nicht als Vertragspsychologin zugelassenen Therapeutinnen. Die Klage des LK gegen die KK auf Erstattung der Therapiekosten wurde in der Berufungsinstanz und schließlich auch im Revisionsverfahren vor dem BSG abgewiesen.
Das BSG stützt seine Entscheidung vor allem darauf, dass die erbrachte Psychotherapie als „isolierte“ ambulante ärztliche Behandlung keine medizinische Reha sei, weder nach dem Leistungsrecht der GKV (SGB V) noch nach dem der Jugendhilfe (SGB VIII). Als maßgeblich für die Abgrenzung sieht es letztlich den im SGB V vorausgesetzten Charakter der medizinischen Reha als „Komplexleistung“ an, der bei isolierter  Psychotherapie gerade nicht vorliegt. Diese Abgrenzung ist nach Auffassung des BSG auch im SGB VIII, SGB IX und SGB XII zu Grunde zu legen. Insbesondere führt, ausweislich der Urteilsgründe, der in § 35a SGB VIII enthaltene Verweis auf § 54 SGB XII und mithin auf § 26 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX nicht zu einer anderen  Bewertung für das Leistungsrecht der Jugendhilfe. Zwar „umfassen“ medizinische Reha-Leistungen nach § 26 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX auch Psychotherapie. Ausschlaggebend ist insoweit indes der Wortlaut des § 54 Abs. 1 S. 2 SGB XII. Danach gelten für die medizinische Reha im Rahmen der Eingliederungshilfe die Maßstäbe des SGB V. In der Konsequenz ist kein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX gegeben, weil dieser nur für  Reha-Leistungen gilt.
Auch Ansprüche aus § 104 oder § 105 SGB X scheiden aus. Denn sie setzen voraus, dass der leistende Träger die jeweilige Leistung auch nach eigenem Recht hätte erbringen können; und ambulante ärztliche Behandlung ist nicht Teil des Leistungsspektrums der Jugendhilfe. Die Entscheidung des BSG präzisiert die Abgrenzung zwischen ambulanter ärztlicher Behandlung und medizinischer Rehabilitation und verdeutlicht zugleich Grenzen des offenen Leistungskatalogs der Eingliederungshilfe.