Nachsorge ist die beste Vorsorge
Rehabilitation wirkt, aber wie lange? Für viele Rehabilitanden ist die zeitlich begrenzte Rehabilitation in einer ambulanten oder stationären Einrichtung nicht ausreichend, um den Behandlungserfolg auch anhaltend zu stabilisieren. Viele Therapien sind langfristig effektiver, wenn sie über den Zeitraum der Rehabilitation hinaus fortgeführt werden. In diesem Sinne ist Nachsorge auch immer als Vorsorge zu sehen. Nachsorge kommt zwar nach etwas – in der Regel nach einer Behandlung – aber im Grunde soll sie etwas zuvorkommen, nämlich einem Rückfall, einer Verschlechterung des Zustands oder einem Verharren in einem optimierbaren Zustand. Nachsorge ist im Grunde genommen also Prävention. Das heißt nichts anderes als: Die Reha geht weiter. Gute Reha-Erfolge, viele Ressourcen, Gelder in Millionenhöhe und das Potenzial der Menschen selbst werden vergeudet, wenn angemessene Nachsorge nicht ausreichend eingesetzt wird. Der Präventionsgedanke, kluge Voraussicht, Selbstfürsorge und Selbstverantwortung sollten in der Nachsorge in den Mittelpunkt gestellt werden.
Weiterbehandlung nach Entlassung aus Reha
Krankheitsbewältigung und Lebensstiländerung bei chronischen Erkrankungen brauchen Zeit, Unterstützung und regelmäßige Erinnerungen. Während einer im Durchschnitt 3-wöchigen Rehabilitation können Reha-Ziele meist nicht vollständig erreicht und notwendige Änderungen des Lebensstils von Rehabilitanden allenfalls angestoßen werden. Um die Reha – Erfolge auch mittel- und langfristig zu erhalten, stehen Angebote zielgruppenspezifischer Nachsorgeleistungen zur Verfügung. Es gibt eine breite Angebotspalette. Trotzdem knirscht es immer noch beim Wiedereinstieg in das alltägliche Leben. Um eine nahtlose Überführung der durch die Reha gewonnen Einsichten zu fördern, nehmen oftmals die Hausärzte eine zentrale Unterstützerrolle ein. Reha-Ärzte können bei der Entlassung ambulante Maßnahmen wie Reha-Sport oder Funktions-Training vorschlagen, etwa nach einem Infarkt. Diese Empfehlung ist für niedergelassene Ärzte die Grundlage zur Ausstellung einer entsprechenden Verordnung zur Nachsorge. Wie aber gelangen die ambulanten medizinischen Weiterbehandler an die relevanten Informationen? Nicht nur das: Wie gelangen die Niedergelassenen an weitergehende, nachvollziehbare und anwendbare Informationen, um die Nachsorge jeweils bestmöglich zu unterstützen? Hier kann das Sozialleistungssystem schnell zu einem Labyrinth werden – nicht nur für die Erkrankten.
"Für den Hausarzt sind sozialrechtliche Finessen und die komplexen Abläufe im Gesundheitssystem immer wieder eine Herausforderung. Um nach längerer Erkrankung den Patienten wieder für den Alltag fit zu machen wären kurze und prägnante Infos über die praktische Ausgestaltung von Reha-Maßnahmen hilfreich."
erläutert Dr. Wolfgang Pilz, niedergelassener Allgemeinmediziner in Ockstadt.
Die „Duftmarken“ der Nachsorge müssen bereits in der Reha gesetzt werden
Viele Menschen sind nach einer Reha nicht in der Lage, ihren Beruf sofort wieder adäquat aufzunehmen. Hier wird deutlich: Die „Duftmarken“ der Nachsorge müssen bereits in der Reha gesetzt werden. Teilhabe
in Alltag und Beruf setzt gemeinsames Handeln voraus, so Detlef Glomm, Facharzt für Arbeitsmedizin vom Verband der Betriebsärzte:
"Die Vernetzung der beteiligten Akteure und der individuelle Fokus auf den Rehabilitanden und seinen Arbeitsplatz sind wesentliche Faktoren für den Erfolg einer beruflichen Wiedereingliederung."
So können beispielsweise individuelle Modelle einer Stufenweisen Wiedereingliederung den erfolgreichen Wiedereinstieg in den Berufsalltag erheblich erleichtern. Damit die Mechanismen ineinander greifen, muss die Zielorientierung aber schon in der Reha auf die Nachsorge ausgerichtet werden. Planungen und Vereinbarungen für die „Zeit danach“ sind motivierend und helfen bei der Umsetzung. Individualität und Alltagsumgebung wollen bei Zielen und Lösungswegen berücksichtigt werden, Stichwort „Personenzentrierung“.
Nach- und vorsorgendes Denken und Handeln müssen sich im Reha-Alltag verankern, sich in der Regelversorgung niederschlagen. Eine nachhaltige Bedeutung im Maßnahme-System nach einer Reha hat die selbsthilfegestützte Nachsorge, die eine große Breitenwirkung erzielen kann, weiß Eleonore Anton von der Psychosomatischen Fachklinik St. Franziska Stift in Bad Kreuznach:
"Das Thema Nachsorge spielt in der medizinischen Reha eine wichtige Rolle und dazu zähle ich auch die Möglichkeiten der Selbsthilfegruppen. Rehabilitanden darauf aufmerksam machen und ihnen die Möglichkeit geben, diese Gruppen während ihres Reha-Aufenthaltes kennen zu lernen, ist eine einmalige Chance. Als erste mit dem Prädikat „selbsthilfefreundliche Reha-Klinik“ ausgezeichnete Klinik in Rheinland-Pfalz können wir diese wichtige Säule der Selbsthilfe kontinuierlich fördern."
Das Schlagwort „Entlassungsmanagement“ hat in den letzten Jahren als Versorgungsaufgabe und Brückenschlag an Bedeutung gewonnen. Seit dem Versorgungsstärkungsgesetz sind Kliniken sogar dazu verpflichtet, wenn die stationäre Behandlung von der gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt wird. Durch gezielte Planung soll der Erfolg der Akutversorgung und der Rehabilitation durch frühzeitiges Einleiten von Maßnahmen auch bei Übergängen gesichert werden. Neben einer optimalen, nach individuellen Bedarfen ausgestalteten Anschlussversorgung geht es im Entlassungsmanagement auch darum, den jeweiligen Prozess der Krankheitsbewältigung zu unterstützen. Dies kann durch Information, Beratung und das Anstoßen von Unterstützungsleistungen geschehen. Im Dschungel des Gesundheits-und Sozialversicherungssystems ist Orientierung notwendig. Um also auf der Schiene Reha und Nachsorge die Nahtlosigkeit zu fördern ist eine individuelle Begleitung des Rehabilitanden hilfreich, so Elvira Savioli vom Sozialdienst der Reha-Klinik Heidelberg-Königstuhl:
"Die Beratung aus einer Hand in der Reha-Klinik durch den Sozialdienst sollte nicht in der Klinik enden. Wenn die individuelle Begleitung auch nach der Entlassung fortgeführt wird, kann nachhaltig eine Wiedereingliederung gelingen."
Das neu Gelernte im Alltag umsetzen
Damit sich das mühsam neu Antrainierte nicht gleich wieder abschleift, gibt es unterstützende Programme wie die Intensivierte Rehabilitationsnachsorge (IRENA) der Deutschen Rentenversicherung. Die gesetzlichen Krankenkassen bieten mit dem Reha-Sport und Funktions-Training etwas Ähnliches an.
Die Aufgabe der Reha-Nachsorge ist es also – mit unterschiedlichen indikationsspezifischen Schwerpunkten – den stationären oder ambulanten Reha-Erfolg weiter zu verbessern und nachhaltig zu sichern, besonders auch für den beruflichen Wiedereinstieg. In der Rehabilitation von Menschen mit neurologischer Erkrankung spiegelt sich die grundsätzliche Herausforderung der Integration in den Arbeitsprozess besonders deutlich wider. Neben hohen Erwartungen an die Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit der Integration gibt es oft starke Unsicherheiten im betrieblichen Kontext, die abgebaut
werden müssen. Nach einer neurologischen Erkrankung wieder in das Arbeitsleben zu finden ist ein Weg, der es in sich hat: viele Stationen, viel Beratung, viele Therapien. Dass sich das lohnen kann, wird am Beispiel von Heike Schaber deutlich. Nach 2 Schlaganfällen ist sie mittlerweile wieder in ihrem Beruf als Chefsekretärin in einem großen Konzern tätig. Dieser Erfolg konnte nur mit viel Unterstützung ihres gesamten Umfelds gelingen und mit intensiver Nachbetreuung und Begleitung einer neurologischen Tagesklinik. In ihrem Fall passte Vieles zusammen: die Abstimmung zwischen Arbeitgeber, Kostenträger und Leistungserbringern stimmte. Die lange, individuell zugeschnittene Nachsorge hat sich gelohnt, betont die ehemalige Rehabilitandin Heike Schaber:
"Ich habe so viel Reha gehabt und Maßnahmen und ambulante Therapien. Die waren wirklich wichtig, sonst wäre ich ja nicht auf dem Stand, wo ich heute stehe. Dass ich überhaupt voll arbeite, das hätte ich so nicht geschafft. Ich habe meine Rehas gebraucht."
Solche Erfolgsgeschichten können nur geschrieben werden, wenn alles passt, wenn Akteure lösungsorientiert zusammenarbeiten und Maßnahmen möglichst reibungslos ineinandergreifen. Wo die Beschäftigungsfähigkeit und das Arbeitsverhältnis erhalten werden können, wird Nachsorge zur Vorsorge für die Zukunft.