Was bedeutet für Sie „Teilhabe braucht Rehabilitation“?

Statements von

Jürgen Hohnl (IKK e.V.)
Brigitte Gross (DRV Bund)
Eva Strobel (Bundesagentur für Arbeit)
Prof. Dr. Joachim Breuer (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung)

Jürgen Hohnl, Geschäftsführer IKK e.V.

Leistungen aus einer Hand

Für Menschen mit Behinderung ist die Teilhabe ein wichtiger Aspekt. Sie ist entscheidend für das Selbstwertgefühl der Betroffenen, für ein sinnerfülltes Leben mit oder trotz Beeinträchtigung. Die UN-Behindertenrechtskonvention stellt das Recht auf Teilhabe deshalb an die Spitze ihrer Forderungen. An dem Grad der Teilhabe zeigt sich die Qualität und Werteorientierung eines Sozialversicherungssystems sowie der Gesellschaft. Das Ziel verlangt von allen Beteiligten einen hohen Einsatz.
Die Kassen fördern Rehabilitation im Rahmen des Leistungsanspruchs nach SGB V, SGB IX, gemäß der medizinischen Bedarfe sowie ihres Koordinierungsanspruches unter den verschiedenen Rehabilitationsträgern. Durch Rehabilitation soll eine drohende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abgewendet, beseitigt oder gemindert werden, sowie ihre Verschlimmerung verhütet oder ihre Folgen gemildert werden.
Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) aus dem Jahr 2017 und die darin geforderte übergreifende Zusammenarbeit bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation (BAR) hat die Perspektive aller Sozialversicherungsträger deutlich erweitert. Mit dem BTHG hat der Gesetzgeber das Ziel gesetzt, eine zeitgemäße Gestaltung der Eingliederungshilfe mit besserer Nutzerorientierung und ZuZugänglichkeit sowie einer höheren Effizienz zu erreichen. Gleichwohl für die Krankenkassen per Gesetz weiterhin der Fokus auf die Unterstützung ihrer Versicherten durch medizinische Rehabilitationsleistungen verbleibt, hat sich die Zielperspektive dennoch verschoben.
Die Ausrichtung aller Rehabilitationsmaßnahmen der verschiedenen Sozialversicherungsträger auf eine breite, umfassende  gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, der Menschen, die von Behinderung bedroht sind oder Menschen mit chronischen Erkrankungen kann nur so erfolgreich sein, wie die anderen gesellschaftlichen Akteure, wie Arbeitgeber, Schulträger, öffentliche Verkehrsunternehmen usw. die Teilhabe als gesamtgesellschaftliche Aufgabe für sich annehmen. Eine fordernde, aber auch lohnende Aufgabe für alle! Unsere Bereitschaft ist da, die Realisierung des Grundsatzes „Leistungen aus einer Hand“ für den Betroffenen spürbar zu machen.
 

Brigitte Gross, Direktorin bei der DRV Bund

Teilhabe braucht Rehabilitation – und mehr!

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist ein deutliches Statement der Staatengemeinschaft für den wichtigen Paradigmenwechsel im Verständnis von Behinderung. Es geht nicht um Defizite, sondern um die Ressourcen der Menschen und um den Stellenwert der Umwelt bei der Frage, ob Inklusion gelingt. Die herausragende Bedeutung des Lebensbereiches Arbeit gerade für Menschen mit Behinderungen ist unbestritten. So ist Teilhabe an Erwerbstätigkeit z.B. der beste Weg, behinderungsbedingte Erschwernisse in anderen Lebensbereichen (Gefahr sozialer Isolation, Gefühl der Abhängigkeit etc.) positiv zu bewältigen. Für die Träger der Deutschen Rentenversicherung ist Teilhabe deshalb mehr als ein sozialpolitisches Schlagwort, mehr als die Definition „Einbezogensein in eine Lebenssituation“. Sie ist konkrete gesetzliche – und gelebte – Aufgabe: Leistungen zur Teilhabe dienen dem Ziel, krankheits- oder behinderungsbedingten Auswirkungen auf die Beschäftigungsfähigkeit vorzubeugen oder sie zu überwinden. Die Versicherten sollen nicht aus dem Erwerbsleben ausscheiden müssen. Sie sollen in die Lage versetzt werden, sich möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben einzugliedern. Im Bewusstsein der zentralen Bedeutung des Lebensbereiches Arbeit für eine erfolgreiche Inklusion nutzen die Träger der Deutschen Rentenversicherung ein breites Portfolio an „klassischen“ Rehabilitationsleistungen, also Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben, unterstützt durch unterhaltssichernde oder andere ergänzende Leistungen.
Für die Deutsche Rentenversicherung geht der Zusammenhang zwischen Teilhabe und Rehabilitation aber weiter. Auch Präventionsleistungen und Leistungen zur Nachsorge sind im SGB VI „(Pflicht-)Leistungen zur Teilhabe“ mit dem einzigen Ziel, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Damit unterstreicht der Gesetzgeber noch einmal die herausragende Bedeutung des Lebensbereiches Arbeit. Mit ihrem vielfältigen Angebot bietet die Deutsche Rentenversicherung hier individuelle Lösungen. Deshalb: Teilhabe braucht Rehabilitation – und mehr!

Eva Strobel, Geschäftsführerin Geldleistungen und Rehabilitation, Bundesagentur für Arbeit

Teilhabe braucht berufliche Rehabilitation

Die Vision einer inklusiven Gesellschaft ist zur Leitidee unseres Zusammenlebens geworden. Menschen mit Behinderungen sollen ihr Leben selbstbestimmt gestalten und gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben. Welchen Beitrag kann die Bundesagentur für Arbeit als Rehabilitationsträgerin dabei erbringen? Um an der Gesellschaft teilhaben zu können, ist die Integration in den Arbeitsmarkt ein ganz zentrales Element: Neben der Möglichkeit, selbst Geld zu verdienen, können die vielfältigeren sozialen Kontakte als bereichernd erlebt werden. Die Beratungs- und Vermittlungsfachkräfte der Bundesagentur für Arbeit leisten durch ihre professionelle Beratung und Unterstützung von Menschen mit Behinderungen einen wesentlichen Beitrag. Ziel ist immer die möglichst dauerhafte Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Im Rahmen der beruflichen Rehabilitation stehen dabei eine Vielzahl guter fachlicher und finanzieller Unterstützungsleistungen zur Verfügung. Insbesondere junge Menschen mit Behinderungen können sich gezielt auf eine Berufsausbildung vorbereiten und diese ababsolvieren. Mit der beruflichen Wiedereingliederung ist Betroffenen eine berufliche Neuorientierung möglich. Ausbildungs- und Arbeitsplätze können behindertengerecht gestaltet werden.
So leistet die berufliche Rehabilitation einen wichtigen Beitrag, damit Menschen mit Behinderungen, gleichberechtigte und gleichwertige Mitarbeitende in Unternehmen sein können. Sie sind oft besonders motiviert und wollen beweisen, dass ihre Arbeit Wertschätzung verdient.
Leider bestehen teilweise immer noch Vorbehalte gegenüber der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Diese Hürden gilt es abzubauen. Es ist wichtig, die Gesellschaft für eine inklusive Arbeitswelt weiter zu sensibilisieren. Viele gute Beispiele zahlreicher Unternehmen zeigen, das Inklusion unabhängig der Unternehmensgröße gelingen kann. Daran gilt es anzuknüpfen.

Prof. Dr. Joachim Breuer, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

Teilhabe mit allen geeigneten Mitteln

Akku leer und keine Steckdose in der Nähe? Manche Handybesitzer bringt das schon ins Schwitzen. Für Azubi Marvin aber bedeutet es Stillstand. Der Akku versorgt seine Beinprothese mit Strom. Ist der leer, bleibt das künstliche Kniegelenk steif. Mit 16 verlor Marvin bei einem schweren Wegeunfall ein Bein und einen Teil der Hüfte. Es folgten Monate im Krankenhaus und mehrere Operationen. Kaum zu glauben, aber der junge Mann hat seine Ausbildung als Mechatroniker fortgesetzt. Geholfen hat ihm seine positive Energie und das Rehamanagement seiner Berufsgenossenschaft (BG ETEM): Physiotherapie, die Auswahl der passenden Prothese, Gangschule. Am Ende stand für Marvin die Rückkehr in seinen Traumberuf.
Teilhabe an der Gesellschaft hat viele Seiten, Berufstätigkeit ist eine sehr wichtige davon. Ziel jedes Rehaprozesses in der gesetzlichen Unfallversicherung ist deshalb, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten – wenn möglich sogar den alten Arbeitsplatz. Und wenn das nicht möglich ist? Dann vermittelt „DGUV Job“ ganz gezielt in eine neue Tätigkeit. In etwa 97 Prozent der Fälle gelingt es Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, ihre Versicherten nach einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit so weit zu rehabilitieren, dass sie wieder ins Arbeitsleben reintegriert werden können. Eine gezielte Fallsteuerung und individuelles Rehamanagement zahlen sich aus. Es gibt aber auch Fälle wie den von Hans Peter Durst. Die Folgen eines Verkehrsunfalls machten ihm eine Berufstätigkeit dauerhaft unmöglich. Durst musste sich ein neues Leben aufbauen; geholfen hat ihm der Sport. Vermittelt durch die Rehabilitation entdeckt er das (Drei-)Radfahren für sich und gewann in dieser Disziplin paralympisches Gold. Seine Berufsgenossenschaft (BGN) unterstützt seinen Sport. Die Bewegung fördert nicht nur seine körperliche Gesundheit, der Sport steht auch für Selbstbestimmung und Partizipation.
Teilhabe bedeutet: Jeder Mensch soll ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können. Die Aufgabe der Rehaträger ist es, Menschen mit Behinderung dabei bestmöglich zu unterstützen. Im Fall der gesetzlichen Unfallversicherung „mit allen geeigneten Mitteln“.