Abhängigkeitserkrankungen und Psychosomatik

Aktuelle gesellschaftliche und formale Rahmenbedingungen

Aus Sicht des Fachverband Sucht+, Fachverband für Abhängigkeitserkrankungen und Psychosomatik, ergeben sich zurzeit für die Indikationsbereiche
Abhängigkeitserkrankungen und Psychosomatik gesellschaftliche und formale Rahmenbedingungen. Die Konsummuster von Substanzen mit einem Missbrauchspotenzial ändern sich ebenso wie das Verhalten im Umgang mit PC/Internet sowie dem Glücksspiel.

 

In den letzten Jahren hat sich das Konsummuster von Substanzen wie Alkohol, Medikamenten oder illegalen Drogen deutlich verändert. Während beim Alkohol die konsumierte Menge eher rückläufig ist, haben wissenschaftliche Untersuchungen auch gezeigt, dass die Anzahl der Menschen, die Alkohol einsetzen, um ihre psychische Befindlichkeit zu beeinflussen, eher zugenommen hat.
Oft werden Substanzen nicht isoliert konsumiert, sondern kombiniert. So werden beispielsweise zusätzlich zum Alkohol Cannabis oder Amphetamine eingenommen. Im Bereich der illegalen Substanzen nimmt der Konsum in den letzten Jahren wieder zu, das zeigt sich auch an den gestiegenen Todesfällen durch entsprechende Intoxikationen.

Nach wie vor verzeichnet der Bereich des missbräuchlichen, respektive abhängigen Umgangs mit psychotropen Medikamenten
eine hohe Dunkelziffer. Konnten in der Vergangenheit vor allem ältere Menschen mit Missbrauchspotenzial identifizieren werden, so spielen heute zum Beispiel leistungsfördernde Medikamente auch unter den Berufstätigen eine nicht unproblematische Rolle.

Zwischenzeitlich rückläufig, aktuell aber wieder mit zunehmender Prävalenz ist der Tabakkonsum, der in seiner gesundheitlichen Schädigung und den damit verbundenen Kosten für das Gesundheitswesen wesentlich unterschätzt wird. Nicht zuletzt aufgrund der Corona- Pandemie haben die stoffungebundenen Störungen wie pathologischer PC-/Internet-Gebrauch und Glücksspiel gerade bei jüngeren Menschen deutlichen zugenommen.
Eine kürzlich durch die DAK veröffentlichte Studie vom Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) hat sehr deutlich aufgezeigt, dass die Auswirkungen von übermäßigem PC-/Internet-Gebrauch eine neue Dimension erreicht haben.

Konzeption der Behandlung

Die Verknüpfung von Missbrauchs- bzw. Abhängigkeitserkrankung und psychosomatischen Störungsbildern erfordert eine Behandlung mit einer explizit auf diesen Störungszusammenhang erstellten Konzeption. Oftmals ist nicht zu differenzieren, was letztendlich zuerst da gewesen ist, eine Depression, Angststörung, ein Zwangsverhalten oder der Suchtmittelkonsum. Fakt ist, dass beide Störungen einer entsprechenden Behandlung
bedürfen. Einrichtungen mit beiden Fachabteilungen können hier sehr gute kombinierte Ansätze anbieten.

Am 1. Juli 2023 sind die Verbindlichen Entscheidungen des Digitalen Rentengesetzes zur Neugliederung der Medizinischen Rehabilitation in Kraft getreten: Vertragswesen, eine neue, transparente Vergütungsstruktur, Einrichtungsauswahl und Public Reporting stellen die vier Säulen der Neugliederung dar. Das Gesetz stärkt das Wunsch- und Wahlrecht bezüglich der Entscheidung, in welcher Einrichtung Betroffene eine Medizinische Rehabilitationsmaßnahme durchführen wollen. Bietet die entsprechende Einrichtung die ärztlich verordnete Behandlung an, so besteht auch ein Anspruch auf Durchführung in dieser Einrichtung.

Im Rahmen des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes (IPReG) wird aktuell erstmalig eine Bundesrahmenvereinbarung zwischen dem GKV-SV und den Leistungserbringer-Verbänden sowie Vertreterinnen und Vertretern der Leistungsberechtigten erarbeitet. Hinsichtlich des Indikationsbereiches Abhängigkeitserkrankungen orientiert man sich bei der Festlegung der Rahmenbedingungen an den Vorgaben der Rentenversicherung.

Zukunftsaussichten

In der Medizinischen Rehabilitation ist aktuell sehr vieles im Umbruch. Neue gesetzliche Vorgaben, aber auch Veränderungen in unserer Gesellschaft, stellen gerade für die Indikationsbereiche Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen und Psychosomatik eine besondere Herausforderung dar. Die psychischen Beeinträchtigungen spielen in unserer aktuellen Gesellschaft eine besondere Rolle. Durch interne wie externe Bedingungen werden die Zukunftsaussichten immer kritischer gesehen. Menschen, denen eine entsprechende Resilienz Versorfehlt, suchen ihr Heil in der mindestens temporär funktionierenden Veränderung ihres Erlebens durch Suchtmittel oder entwickeln eine pathologische Störung wie Ängste, Depressionen und Zwangssymptome. Es geht darum, Menschen auf allen Ebenen so zu unterstützen, dass erst keine pathologischen Muster entstehen.
In diesem Kontext sehen wir die Legalisierung von Cannabis als sehr kritisch an. Die Annahme, hier handele es sich um eine „Genussdroge“, birgt gerade für junge Menschen eine hohe Gefahr. Einfluss nehmen können wir alle im Bereich der Medizinischen Rehabilitation, indem wir den Konsum während einer Maßnahme, nicht tolerieren.