Glücksspielsucht und Medienabhängigkeit

Multimodale individualisierte Behandlung

Glücksspiel ist erst seit einigen Jahren als Suchtkrankheit akzeptiert. Noch unklar definiert wird das pathologische Glücksspiel nach ICD 10 – der amtlichen Klassifikation zur Verschlüsselung von Diagnosen in der ambulanten und stationären Versorgung – im Rahmen einer Impulskontrollstörung. Das heißt, die Betroffenen handeln wiederholt ohne „vernünftige“ Motive und schädigen damit sich selbst und/oder andere Menschen. Ein unkontrollierbarer intensiver Drang zu Spielen übersteigt den Wunsch auf Abstinenz. Die Handlung wird trotz Leidensdruck und Störung der Funktionsfähigkeit im täglichen Leben fortgesetzt. Für die Diagnosestellung müssen zwei oder mehr Episoden des Glücksspiels über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr stattgefunden haben.

Wir unterscheiden verschiedene Glücksspielarten: Lotto und Sportwetten, Glücksspielautomaten, Roulette, Blackjack, Baccara oder Poker. Durch den niederschwelligen Gebrauch von Handys, Tabletts und PCs tritt das Online-Glücksspiel zunehmend in den Vordergrund (Onlinepoker und -lotterien). Neben Onlinecasinos und Onlinewetten sind auch die Computerspiele zu nennen. Hier besteht ein Übergang in die Mediensucht. Darunter fallen auch Online-Rollenspiele, die für die Beteiligten die Realitäten verändern. Speziell im zwischenmenschlichen Kontakt gehemmte oder im Verhalten schwierige Menschen können so interaktiv werden. Bei Jugendlichen steht häufig das Erschaffen virtueller Welten im Vordergrund. Die neue Identität (schöner, stärker, erfolgreicher) entspricht dann eher ihren Vorstellungen als das reale Selbstbild. Online ist weitgehend alles möglich. Man kann überall dazugehören und soziale Kontakte können durch gemeinsame Interessen aufrechterhalten werden, auch wenn es nur in einer Scheinwelt ist.

Ebenso zu nennen ist die Online-Kaufsucht, die ängstlichen oder in der Mobilität eingeschränkten Menschen das Kaufen oder Ersteigern sowie den Erwerb von Konsumgütern erleichtert und ermöglicht. Die am weitesten verbreitete Form des Glücksspiels sind aber die Lottovarianten. Bereits 2017 zeigten ca. 180.000 der 16- bis 70-Jährigen ein pathologisches Spielverhalten.

Man unterscheidet im Glücksspiel das „Gambling“ mit dem Ziel, Geld zu gewinnen und dadurch ein Glücksgefühl zu erlangen und das reine Spielen mit dem Ziel der Beschäftigung bzw. Ablenkung sowie der Möglichkeit, soziale Kontakte zu bedienen. Im Suchtcharakter liegt die Dosissteigerung, das heißt die Höhe und die Häufigkeit des Einsatzes steigt langsam und führt zu einem Kontrollverlust, so dass bei Unterbinden des Glücksspiels ein Suchtdruck („Craving“) mit Ruhelosigkeit, Reizbarkeit, Depressionen, Konzentrationsstörungen, zwanghaften Gedanken und innerer Leere auftritt. Bei langanhaltendem Suchtverhalten kommt es meist zu einer Persönlichkeitsänderung mit Abnahme der Realitätsprüfung und der Frustrationstoleranz. Oftmals werden Handlungen in Bezug auf die Sucht verleugnet, Gründe dafür nach außen projiziert und die Schuld bei anderen gesucht.

4 Phasen der Glücksspielsucht

Die Gewinnphase: Man fühlt sich mächtig, überlegen, scheint die Kontrolle zu besitzen und es entsteht der Traum von grenzenlosem Reichtum. Die Verlustphase mit Geldverlust: Die Emotionen sind Ärger, Verwirrung und Ängstlichkeit, Verlust von Prestige und Macht und auch der Selbstwert mindert sich. Die Verzweiflungsphase: finanzielle Verschuldung – die „Aufholjagd“ vertreibt die damit einhergehenden Depressionen zunächst. Es kommt zu Lügen, zu einer submanischen Euphorie und dem Versuch, durch häufiges Spielen die Schulden wettzumachen. Die Familie verschuldet sich, soziale Bezüge reduzieren sich oder gehen verloren, Kriminalität folgt. Die Aufgabephase: der psychische Zusammenbruch mit Hoffnungslosigkeit und Suizidgefahr. In dieser Phase besteht in der Regel eine Therapiebereitschaft.

In Abhängigkeit von der Persönlichkeit sind die Gründe für krankhaftes Glücksspiel unterschiedlich. Für Persönlichkeiten mit narzisstischer Struktur geht es am ehesten um Erfolg, Macht, Überlegenheit und Kontrolle. Persönlichkeiten mit depressiver Grundstruktur versuchen meist, Frustrationen zu bewältigen, Lebensprobleme zu verdrängen, oder über das Glücksspiel Entspannung zu erfahren.

Therapie in der Median Klinik Wigbertshöhe

Ziel ist die Rückkehr zu einem Normalzustand des Lebens und die Bewältigung von Problemen. Dabei ist die Abstinenz die Voraussetzung für eine Veränderung und das Erarbeiten von alternativen Lösungen. Die Abstinenzfähigkeit wird in einer professionellen Therapie mit Hilfe von Einzel- und Gruppentherapien entwickelt, durch Stärkung des Selbstbewusstseins und der Beziehungsfähigkeit sowie das Aushalten und Besprechen unangenehmer emotionaler Zustände. Hierfür wird die primäre Störung psychotherapeutisch aufgearbeitet, bestehende Kompetenzen werden gestärkt und genutzt. Oftmals ist eine angemessene Haltung zu Geld notwendig. Im Rahmen eines multimodalen individualisierten Behandlungsplans werden die Rehabilitanden der MEDIAN Klinik Wigbertshöhe von Anfang an aktiv in die Gestaltung ihrer Rehabilitation mit eingebunden.

Pathologische Glückspielerinnen und -spieler mit einer depressiv-neurotischen, selbstunsicheren oder anderen psychischen Störung werden zusammen mit anderen Verhaltenssüchten in einer Bezugsgruppe unter psychologischer Leitung behandelt. Spezielle indikative Gruppenangebote runden die Therapie ab. Besonderes Augenmerk gilt den Teilhabebereichen Arbeit, Freizeitgestaltung, soziales Leben.