Bessere Inklusion von geflüchteten Menschen mit Behinderung

Crossroads-Projekte von Handicap International (HI) in Deutschland

Schätzungsweise 10 bis 15 Prozent aller Geflüchteten weltweit sind Menschen mit Behinderung. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums leben derzeit ca. 3,3 Millionen Schutzsuchende in Deutschland. Dazu zählen alle Ausländerinnen und Ausländer, die aufgrund unterschiedlicher humanitärer Gründe1 einen Aufenthaltstitel haben sowie Asylbewerberinnen und -bewerber im Verfahren sowie solche, die abgelehnt wurden. Crossroads HI geht daher für Deutschland von 330.000 bis 495.000 Schutzsuchenden mit Behinderung aus.

Geflüchtete Menschen mit Behinderung sind bei ihrer Aufnahme und Integration mit hohen Barrieren konfrontiert, denn
ihr spezifischer Bedarf wird im staatlichen Prozess der Aufnahme und Integration zu wenig beachtet, weil dabei das Kriterium Behinderung nicht systematisch berücksichtigt wird;

  • bislang wurde an der Schnittstelle zwischen Flüchtlingshilfe und Behindertenhilfe – den Unterstüzungssystemen für Geflüchtete und Menschen mit Behinderung – zu wenig systematische Kompetenz ausgebildet;
  • ohne die Hilfe von Fachkräften und Ehrenamtlichen finden die Menschen selten Zugang zu den Angeboten der Behindertenhilfe und scheitern häufig an der komplexen Struktur der Angebote und der bürokratischen Beantragung;
  • es gibt nur wenige lokale Selbsthilfegruppen und kaum Selbstvertretungen, in denen geflüchtete Menschen mit Behinderung aktiv sein können.

Kurzum: Die Integration Geflüchteter ist nicht „inklusiv“, ihre Inklusion ist nicht „integrativ“. Die UN-Behindertenrechtskonvention ist für Geflüchtete mit Behinderung nicht umgesetzt.

Seit 2018 setzt sich daher Handicap International mit seinem Arbeitsbereich Crossroads dafür ein, dass der spezifische Bedarf Geflüchteter mit Behinderung systematisch berücksichtigt wird. Das gilt sowohl für die Erstaufnahme, innerhalb des Asylverfahrens und bei ihrer weiteren Inklusion in Deutschland.

Zu dieser systematischen Berücksichtigung gehört unter anderem,

  • dass der Unterstützungsbedarf von Geflüchteten mit Behinderung direkt nach ihrer Ankunft in Deutschland identifiziert wird, wie es die EU-Aufnahmerichtlinie vorsieht,
  • ihre barrierefreie Unterbringung,
  • dass sie bereits während des Asylverfahrens und nach ihrer Anerkennung Zugang zu Hilfsmitteln und Unterstützungsleistungen erhalten,
  • die Bereitstellung barrierefreier Sprachund Integrationskurse,
  • die Unterstützung beim Zugang zum Hilfesystem sowie zu Bildungsangeboten, Beschäftigung und Arbeit,
  • die Förderung von Selbstvertretungsstrukturen

Crossroads umfasst aktuell drei Projekte von Handicap International e. V.

Zunächst fördert Crossroads die Selbstvertretung und Selbsthilfe von geflüchteten Menschen mit Behinderung und berät und informiert sie über ihre Rechte und das Unterstützungssystem in Deutschland. So gibt es zum Beispiel eine niedrigschwellige, telefonisch erreichbare und mehrsprachige Beratungsstelle, die Erstorientierung und -beratung anbietet. Hilfesuchende können hier an Unterstützungsstrukturen in ihrer Kommune vermittelt werden.

Daneben berät und schult Crossroads Fachkräfte der Flüchtlingshilfe und der Behindertenhilfe und fördert deren Vernetzung, damit sie Geflüchtete mit Behinderung bei deren Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe und den Leistungen der Behindertenhilfe gezielt unterstützen können. Diese anspruchsvolle Tätigkeit unterstützt Crossroads seit Sommer 2024 mit einer bundesweit erreichbaren Beratung für Fachkräfte.

Mit seiner politischen Arbeit setzt sich Crossroads in Politik und Verwaltung für die Interessen geflüchteter Menschen mit Behinderung ein und sensibilisiert zuständige Behörden und andere Organisationen für deren Bedarfe. Aktuell liegt der Fokus der politischen Arbeit darauf, die vielfältigen Verschärfungen der Asylgesetzgebung kritisch zu begleiten und zugunsten der Wahrung der Rechte von geflüchteten Schutzsuchenden mit Behinderung zu kommentieren.

Handicap International / Humanity & Inclusion (HI)
ist eine gemeinnützige Organisation für Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit, die in rund 60 Ländern aktiv ist. Wir setzen uns für eine solidarische und inklusive Welt ein. Wir verbessern langfristig die Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderung und unterstützen diejenigen, die besonderen Schutz benötigen. Außerdem arbeiten wir für eine Welt ohne Minen und Streubomben sowie für den Schutz der Zivilbevölkerung im Krieg. HI ist Co-Preisträgerin des Friedensnobelpreises von 1997. Handicap International e. V. ist der deutsche Verein von HI.

1 Schutzberechtigte können sein: Asylberechtigte nach § 16a Grundgesetz, Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingsschutzkonvention, subsidiär Schutzberechtigte und Personen mit und Abschiebeverbot Duldungen aus humanitären Gründen

Weitere Informationen zu Crossroads unter:
www.hi-deutschlandprojekte.de/crossroads