Möglichkeiten der medizinischen Rehabilitation bekannter machen
Der Zugang zu Leistungen der medizinischen Rehabilitation aus der Pflegebegutachtung
In Deutschland werden aktuell mehr als fünf Millionen pflegebedürftige Menschen versorgt, Tendenz steigend1. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, deren Ziel sich schwerpunktmäßig auf die Vermeidung oder Verminderung von Pflegebedürftigkeit richtet, kommen somit eine große Bedeutung zu. Durch den im SGB XI gesetzlich verankerten Grundsatz „Vorrang von Prävention und medizinischer Rehabilitation“ soll es pflegebedürftigen Menschen ermöglicht werden, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben (§§ 3 und 5 SGB XI). Pflegebedürftigkeit ist in der Regel kein unveränderbarer Zustand, sondern eine Teilhabebeeinträchtigung die durch Maßnahmen der Pflege, der Krankenbehandlung, Einzelleistungen mit präventiver und rehabilitativer Zielsetzung oder durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beeinflussbar ist.
Die Wirksamkeit von rehabilitativen Maßnahmen auch bei pflegebedürftigen Menschen wird in einer Vielzahl von Studien belegt2. Das Gutachten des Medizinischen Dienstes (MD) beinhaltet ergänzend zur Prüfung, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind, immer auch die Feststellung, ob und in welchem Umfang Maßnahmen zur Vermeidung, Minderung oder Verhinderung einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit geeignet, notwendig und zumutbar sind.
Für die Beurteilung der Selbstständigkeit und Fähigkeiten ist eine Gesamtbetrachtung durch Gutachterinnen und Gutachter erforderlich. Hierbei wird nicht nur der Grad der Abhängigkeit von personeller Hilfe und Unterstützung in den für die Pflege und Betreuung maßgeblichen Bereichen des Lebens festgestellt, sondern auch daraus abgeleitet, ob Maßnahmen zur Prävention und Rehabilitation, zur Hilfsmittelversorgung oder weitere Maßnahmen empfohlen werden können. Die Beurteilung rehabilitativer Bedarfe erfolgt dabei nach einem bundeseinheitlichen Verfahren, dem optimierten Begutachtungsstandard (OBS).3
In den letzten zehn Jahren wurden durch die MD-Gemeinschaft intensive Anstrengungen unternommen, die Prozesse, die der Rehabilitationsbedarfserkennung durch Pflegefachkräfte zugrunde liegen, transparent zu machen und zu optimieren, um damit zu einer stärkeren Professionalisierung beizutragen.
Die aus diesen wissenschaftlichen Projekten gewonnenen Erkenntnisse und deren Überführung in die Begutachtungspraxis haben zu einer zunehmenden Sicherheit bei der Erkennung von Rehabilitationsindikationen im Rahmen der Pflegebegutachtung durch pflegefachliche Gutachterinnen und Gutachter geführt und im Ergebnis zu einem deutlichen Anstieg der ausgesprochenen Rehabilitationsempfehlungen.
Aus dem jährlich durch den GVK-Spitzenverband veröffentlichten Bericht über die Erfahrungen mit der Umsetzung der Empfehlungen der Medizinischen Dienste (MD) und der beauftragten Gutachterinnen und Gutachter zur medizinischen Rehabilitation ist zu entnehmen, dass die im Rahmen der Pflegebegutachtung ausgesprochenen Empfehlungen zu Leistungen der medizinischen Rehabilitation auf einem stabilen Niveau von drei Prozent aller durchgeführten Begutachtungen liegen, wobei die Anzahl der Rehabilitationsempfehlungen analog zum Begutachtungsaufkommen steigen (Abbildung 1).4 Einer positiven Rehabilitationsempfehlungdes MD im Rahmen der Pflegebegutachtung folgt nicht in allen Fällen eine Einwilligung des Versicherten zu deren Weiterleitung an den zuständigen Rehabilitationsträger und in die damit ausgelöste Antragstellung nach § 14 SGB IX. Als Gründe, warum eine Einwilligung nicht erteilt werden konnte, wurden gesundheitliche Aspekte soziale Aspekte sowie rehabilitationsbezogene Aspekte genannt4.
Die MD-Gemeinschaft führt ein kontinuierliches Monitoring und Expertentreffen zu den Entwicklungen der Rehabilitationsempfehlungen durch. Aktuell werden auch die Anforderungen an die neu geschaffenen Begutachtungsformen Telefoninterview und Videotelefonie (§142a SGB XI) in den Fokus genommen. Einer Vielzahl von pflegebedürftigen Menschen, deren Pflegepersonen sowie der an der Versorgung beteiligten Personen und Institutionen sind die Möglichkeiten der medizinischen Rehabilitation nicht ausreichend bekannt. Wünschenswert wäre, die Beratung zu stärken, um pflegebedürftigen Menschen die Möglichkeiten einer Leistung der medizinischen Rehabilitation aufzuzeigen und individuell zu prüfen, ob Maßnahmen zur Überwindung, Minderung oder Verschlimmerung von Pflegebedürftigkeit möglich sind. Ziel sollte es sein, auch Pflegebedürftigen ein möglichst selbstbestimmtes und selbstständiges Leben zu ermöglichen.
2013/2014 |
01/2019 – 09/2019 |
01.03.2021 – 31.08.2022 „Der Zugangsweg Pflegebegutachtung zu Leistungen der medizinischen Rehabilitation – Potentiale der Stärkung (REHA-Post)“ Modellprogramm zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung gemäß § 8 Abs. 3 SGB XI (Medizinischer Dienst Bund, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg unter aktiver Beteiligung der MD Gemeinschaft) Endbericht abrufbar unter: www.gkv-spitzenverband.de/pflegeversicherung/forschung/modellprojekte/pflege_abgeschlossene_projekte_8/reha_post.jsp |
1 Statistisches Bundesamt (DESTATIS). (21. 12 2022). www.destatis.de. Abgerufen am 23.10.2024 von https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Pflege/ Tabellen/pflegebeduerftige-pflegestufe.html
2 Kompetenz-Centrum Geriatrie beim Medizinischen Dienst Nord (KCG). (2015). G3- Gutachten: Explorative Analyse vorliegender Evidenz zu Wirksamkeit und Nutzen von rehabilitativen Maßnahmen bei Pflegebedürftigen im Hinblick auf eine mögliche Anwendbarkeit im Rahmen der Feststellung des Rehabilitationsbedarfs bei der Pflegebegutacht. Abgerufen am 21.10.2024 von https://md-bund.de/fileadmin/dokumente/Publikationen/GKV/Rehabilitation/Gutachten_Reha_bei_Pflegebeduerftigkeit_KCG.pdf
3 Medizinischer Dienst Bund. (2024). Richtlinien des Medizinischen Dienst Bund zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches. Essen: Medizinischer Dienst Bund. Abgerufen am 21.10.2024 von
https://md-bund.de/fileadmin/dokumente/Publikationen/SPV/Begutachtungsgrundlagen/BRi_Pflege_21_08_2024.pdf
4 GKV- Spitzenverband. (2024). Bericht des GKVSpitzenverbandes nach § 18d Abs. 1 und 2 SGB XI über die Erfahrungen der Pflegekassen mit
der Umsetzung der Empfehlungen der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung und der beauftragten unabhängigen Gutachterinnen und Gutachter zur m. Abgerufen am 23.10.2024 von https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/richtlinien__vereinbarungen__formulare/pflege_berichte/2023_3/2024-08-31_Bericht_Reha-Empfehlungen__18d_Abs._1_SGB_XI.pdf