Menschen mit seelischer Behinderung im Fokus von Rehabilitation und Teilhabe
Psychische Störungen bestimmen immer stärker das Spektrum der Krankheitsdiagnosen in Deutschland. Sie nehmen mittlerweile einen Top-Platz in der Krankheitsstatistik ein. Sind Muskel-Skelett-Erkrankungen immer noch die Hauptursache für Arbeitsunfähigkeit, weisen psychische Störungen schon aktuell den höchsten Zuwachs bei den Ursachen für den Arbeitsausfall auf. Nach einer Statistik der Techniker Krankenkasse (TK) stieg die Zahl der Fehltage wegen psychischer Erkrankungen seit dem Jahr 2000 um 75 Prozent.
Psychische Erkrankungen als Massenphänomen – das ist nicht nur besorgniserregend, es könnte auch kostspielig werden. Reha-Leistungen bei psychischen Erkrankungen sind mit durchschnittlich 6.183 € deutlich teurer als etwa eine stationäre medizinische Rehabilitation bei körperlichen Erkrankungen. Sie kostet im Schnitt 2.625 €. Das geht aus dem Reha-Bericht Update 2012 der Deutschen Rentenversicherung hervor. Allein 2011 beliefen sich die Behandlungskosten aufgrund einer psychischen Erkrankung auf 9,5 Milliarden Euro, hat das Wissenschaftliche Institut der AOK ermittelt. Psychische Erkrankungen sind außerdem Ursache Nummer eins für gesundheitsbedingte Frühverrentungen.
Psychisch Erkrankte weisen im Durchschnitt 22 Fehltage pro Jahr auf. Um einer Chronifizierung der Erkrankung vorzubeugen, sind vor allem frühzeitige Diagnostik und Therapie wesentlich. Die Träger der Rehabilitation stehen hier insgesamt vor großen Herausforderungen. Die Weiterentwicklung der Rehabilitation bei psychischen Erkrankungen muss sich verstärkt am Patienten orientieren: Individuelle Teilhabeplanung, Berücksichtigung von Leistungsschwankungen, konkrete Arbeitsplatzanforderungen.
Seelische Erkrankungen sind vielschichtig. Die Rehabilitation und Teilhabe der betroffenen Menschen setzen daher funktionierende Übergänge zwischen den Schnittstellen des Systems voraus. Hier liegt auch ein wichtiges Aufgabenfeld der BAR und ihrer Mitglieder. Im Zusammenspiel der Akteure sollen strukturelle Hindernisse überwunden werden. Alle an einen Tisch holen, nicht nur punktuell, sondern einen handlungsleitenden Konsens herbeiführen. Nur so lassen sich individuell ausgerichtete und umfassende Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit einer seelischen Behinderung realisieren.
Die Zielsetzungen der UN-BRK sind dabei wichtige Grundlagen für die Ausrichtung der Arbeit der BAR. Stichwort Beschäftigungsfähigkeit. Artikel 26 UN-BRK fordert umfassend die Stärkung von Habilitations- und Rehabilitationsdiensten (Gesundheit, Beschäftigung, Bildung, Sozialdienste). Gerade der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit ist für die zukünftige Gestaltung der sozialen Sicherungssysteme von zentraler Bedeutung – und für die Rehabilitation eine große Herausforderung. Konkret heißt das: Mehr Reha-Bedarf wegen gleichzeitiger Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen Reha, zunehmend aufgrund der schweren Last psychischer Erkrankungen. In Deutschland hat sich diese Quote in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Die Herausforderung Wiedereingliederung ist gerade für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung problematisch. Denn berufliche Teilhabe dieser Klientel setzt funktionierende Übergänge zwischen den Schnittstellen voraus. Das erfordert neue und gemeinsame Konzepte – von den Reha-Trägern, den Sozialpartnern, den Betrieben und der Politik. Und ein Handeln, das der Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung verpflichtet ist. Die Arbeitsfelder der BAR, die sich in Projekten zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement, zur Beschäftigungsfähigkeit im Kontext psychischer Gesundheit oder zur besseren Verzahnung von Rehabilitation mit Prävention in der Arbeitswelt konkretisieren, setzen genau hier an.